Kirchheim
Am Schlossplatz endet eine Ära

Treffpunkt Moez Labidi bewirtet am Freitag, 31. März, zum letzten Mal in seinem Café. Wie es für ihn weitergeht, hat er noch nicht endgültig entschieden. Von Andreas Volz

Kirchheim verliert eine Institution: Am Freitag, 31. März, schließt Moez Labidi zum letzten Mal „sein“ Schlossplatzcafé auf. Im September hatte er eine Eigenbedarfskündigung erhalten – und seither war er auf der Suche nach einem geeigneten Ersatz. Vieles hat er sich angeschaut, aber die passende Alternative hat er noch nicht gefunden. „Da muss ja einiges zusammenpassen“, sagt er. „Ich muss da Potenzial sehen. Der Standort muss genauso passen wie die Höhe der Pacht. Drei oder vier Tische reichen nicht aus, es muss schon mehr sein. Auch Außenbewirtung muss möglich sein.“ Bis jetzt jedenfalls hat er noch nichts gefunden, wo er spontan gesagt hätte: „Ja, genau das ist es, was ich gesucht habe.“

Ganz anders war das einst mit dem Schlossplatzcafé: „Ich saß mal hier beim Espresso und dachte mir, das könnte mir gefallen. Dann habe ich durch Zufall erfahren, dass das hier frei wird.“ Er hat nachgefragt, Telefonnummern ausgetauscht – „und dann hat das funktioniert“. So einfach kann es manchmal gehen. Die Örtlichkeit am Kirchheimer Schlossplatz ist auf jeden Fall ideal. „Das ist der perfekte Platz“, schwärmt Moez Labidi von dem Standort, an dem er vor 13 Jahren begonnen hat: „Ich kenne jeden, der hier vorbeiläuft.“

Der Standort ist aber nicht alles. Es kommt auch auf die Atmosphäre an: „Ich habe beim Personal immer darauf geachtet, dass die Leute ihren Job auch lieben. Mein Ziel war immer, dass auch mein Personal zufrieden sein muss. Egal, wie stressig es ist, es muss immer auch Spaß machen. Und das müssen die Gäste spüren können.“

Von seinen Gästen ist Moez Labidi genauso begeistert wie von seinem Personal: „13 Jahre sind eine lange Zeit. Wir sind da alle zusammengewachsen – ich, mein Team und unsere Gäste. Das war wie eine Familie. Das Café war unser gemeinsames Wohnzimmer.“ Zu ergänzen ist: Der Schlossplatz war, wann immer es die Witterung zugelassen hat, die gemeinsame Terrasse oder auch der Balkon.

Ein Tisch auf „Latte macchiato“

„Stammgäste zu haben, war mir immer sehr wichtig“, sagt Moez Labidi, der bei Reservierungen von Stammgästen oft nicht deren Namen aufgeschrieben hat, sondern deren bevorzugte Getränke. „Bei mir hat er einfach mal einen Tisch für das Frühstück am Samstag auf ,Latte macchiato’ reserviert“, erzählt eine der Stammkundinnen, die jetzt nicht so genau weiß, wie sie künftig ihre Mittagspause gestalten soll.

Moez Labidi verbindet aber auch ein sehr ernstes Thema mit seiner „Familie“: „Meine Stammgäste haben mir in der Corona-Zeit sehr geholfen. Das war unglaublich hart. Aber zum Glück habe ich mit meinem Café überlebt.“ Während des Lockdowns hat er einmal einen Großputz veranstaltet und alle Tische und Stühle weggeräumt. „Da waren die Leute alle ganz entsetzt und dachten schon, ich muss schließen“, erinnert er sich schmunzelnd. Das Lachen war ihm in dieser Zeit aber durchaus vergangen: „Corona war wirklich brutal – wenn man nicht weiß, wie es weitergeht. Man hat keine Einnahmen, muss aber die Rechnungen trotzdem zahlen.“

Auch jetzt weiß der 49-jährige Tunesier, den viele für einen Italiener halten, nicht genau, wie es weitergehen soll. Im Gegensatz zur Pandemie-Zeit kann er die Zukunft aber trotzdem selbst gestalten, er kann sie beeinflussen. Derzeit hat er mehrere Eisen im Feuer. Zurück in seinen ursprünglichen Beruf im Hotelfach, Erhalt der Selbständigkeit in einer verwandten Branche – oder doch weiterhin Gastronom in Kirchheim bleiben? Komplett hat er die Hoffnung noch nicht aufgegeben, doch noch etwas Passendes zu finden.

Im Jahr 2000 war er aus Tunesien nach Kirchheim gekommen. An der Volkshochschule hat er Deutsch gelernt und anschließend in Bad Boll seine Ausbildung als Hotelfachmann absolviert – wo er es dann bis zum Bankettleiter gebracht hat, bevor er merkte, dass die Zeit reif war, sich in Kirchheim selbständig zu machen.

Wichtig war ihm immer eine möglichst große Bandbreite seiner Gäste: „Wenn man nur eine bestimmte Zielgruppe hat, wird es schnell problematisch. Das muss ausgewogen sein.“ Am liebsten war es ihm, wenn die Gäste zum Kaffee kamen, dann noch einen Kuchen gegessen haben und schließlich zum Wein oder zum Prosecco übergegangen sind. In solchen Fällen hat er schon mal seinen Feierabend von 18.30 Uhr etwas nach hinten verschoben: „Da muss man flexibel sein, gerade bei den Stammgästen.“

 

Abschiedsparty ab 15 Uhr

Für seine Gäste veranstaltet Moez Labidi am Freitag, 31. März, ab 15 Uhr eine Abschiedsparty: „Wir tauschen Erinnerungen aus, und ich mache auch so etwas wie einen Flohmarkt – mit Kaffeetassen, Zuckerdosen, was auch immer die Leute als Erinnerung mitnehmen wollen. Ich stelle eine Box auf, wo meine Gäste den Betrag einwerfen können, den sie dafür zahlen möchten.“ Live-Musik gibt es auch: Passend zum Ende der Ära im Schlossplatzcafé spielen „Last Orders“ zu den letzten Bestellungen auf. vol