Praxisbezug ist das wichtigste Pfund, mit dem das Seminar für Ausbildung und Fortbildung der Lehrkräfte in Kirchheim wuchern kann. Grund genug für Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne), sich selbst von der Praxis der Ausbildung im Kirchheimer Schloss sowie nebenan im Marstall zu überzeugen. Von der Seminarleiterin Ute Recknagel-Saller über dieLehrbeauftragten bis hin
zu den Anwärtern zeigten sich alle „Seminaristen“ überzeugt von der Arbeit, die in Kirchheim seit 99 Jahren geleistet wird, um Fachlehrer auszubilden. Sie scheuten sich aber auch nicht, offen anzusprechen, welche Schwierigkeiten es gibt – beispielsweise bei der Wohnungssuche oder bei der Finanzierung der Ausbildung.
Das Seminar bietet die Möglichkeit, auf dem zweiten Bildungsweg in den Schuldienst zu gelangen. Wer sich hier einschreibt, muss eine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen können und mindestens ein Jahr lang im Beruf gearbeitet haben. Die Berufe, die die Lehramtsanwärter mitbringen, sind ganz unterschiedlich. Handwerker sind ebenso vertreten wie Kaufleute, Erzieherinnen, Pflegekräfte, Sport- und Gymnastiklehrer oder Künstler und Musiker.
Passend dazu gibt es am Seminar fünf verschiedene Fachrichtungen, aus denen jeweils zwei auszuwählen sind: Bildende Kunst, Musik, Sport, Alltagskultur und Gesundheit sowie Technik. In den ersten beiden von insgesamt drei Jahren Ausbildung sind die angehenden Lehrkräfte vier Tage in der Woche am Seminar, um sich das theoretische Rüstzeug zu holen. An einem Tag in der Woche sind sie an unterschiedlichen Schulen zugange, um Praxiserfahrung zu sammeln. Im dritten Jahr geht es verstärkt an die Schulen, zum selbständigen Unterricht. Viele hoffen, dann wieder in ihre Heimatgegend zurückkehren zu können.
Das Einzugsgebiet des Kirchheimer Seminars ist immens: Es gibt kaum einen Landkreis in den Regierungsbezirken Stuttgart und Tübingen, aus dem niemand vertreten ist. Und auch aus dem östlichen Teil des Regierungsbezirks Freiburg zieht es junge Menschen ans Seminar nach Kirchheim.
Ein straffes Wochenprogramm
Für diese Anwärter ist es oft schwierig, in Kirchheim bezahlbaren Wohnraum zu finden. Obwohl es eine Ausbildungsvergütung gibt, nehmen viele einen Kredit auf oder bessern ihr Einkommen durch Nebenjobs auf, wie die Kultusministerin erfahren konnte. „Dabei haben alle am Seminar das straffe Programm einer 41-Stunden-Woche zu bewältigen“, betonte Direktorin Recknagel-Saller.
Der Vorteil der Lehramtsanwärter ist in mehrerlei Hinsicht ihre Berufserfahrung: „Die Leute hier wissen, warum sie lernen“, stellt die Seminarleiterin fest: „Sie wollen ihr fachliches Wissen gerne an Kinder und Jugendliche weitergeben.“ Das gilt auch für die Fächer Bildende Kunst und Musik, obwohl genau diese beiden Fächer am wenigsten häufig gewählt werden. Kultusministerin Schopper ist sich der Bedeutung der musischen Fächer sehr wohl bewusst: „Wo Musik fast nur noch aus der Konserve kommt ist es umso wichtiger, selbst aktiv zu musizieren.“
Sie weiß aber auch, dass es gerade in Kunst und Musik an Lehrkräften mangelt. Wer in diesen Fächern seine Ausbildung erfolgreich beendet, hat also noch bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz. Leicht flapsig fügte Theresa Schopper hinzu: „Musiklehrer gehen weg wie warme Semmeln.“
Was man sich am Seminar wünschen würde: eine Ausweitung des Fächerkanons auf Berufsorientierung und Wirtschaftslehre sowie Medienbildung und Informatik. Ein weiterer wichtiger Wunsch: die Gleichstellung der Seminarausbildung mit einem Bachelor-Abschluss. Die Ministerin nimmt es zur Kenntnis, und der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Andreas Schwarz, lässt es auf die Liste künftiger Besprechungspunkte setzen. Der Besuch lohnt sich also für beide Seiten.