Energiewende
An Solarenergie scheiden sich die Geister

Die Kirchheimer Initiative für Bodenschutz und Biodiversität kritisiert den Ausbau von Freiflächen-Photovoltaikanlagen. Die Klimaschutz-Agentur Esslingen widerspricht ihren Argumenten. 

Freiflächen-PV-Anlagen sollen überall im Land gebaut werden.  Symbolfoto

Die Anfang des Jahres in Kirchheim gegründete Initiative für Bodenschutz und Biodiversität (IBBD) fordert von der Region Stuttgart einen Stopp für den Ausbau der Freiflächen PV-Anlagen. Die Naturschützer kritisieren den Flächenverbrauch für Photovoltatik auf landwirtschaftlichen Flächen. Sie beziehen sich dabei auf Zahlen des Thünen Instituts, das bis 2035 bei dem geplanten Ausbau der erneuerbaren Enegien einen Bedarf von bis zu 700.000 Hektar landwirtschaftlicher Fläche vorhersagt.

„Das entspricht einem Flächenverbrauch von etwa 150 Hektar pro Tag und steht in krassem Gegensatz zu allen politischen Vorgaben, die auf eine Reduzierung des Flächenverbrauchs von derzeit 52 Hektar pro Tag abzielen“, schreibt die IBBD in einer Pressemeldung. Deutschland sei zudem gefordert, mehr für die Erhaltung seiner schwindenden Biodiversität zu leisten, heißt es dort weiter. Zum IBBD-Vorstand gehören mit Martin Dieterich, Volker Osdoba und Robert Poremba drei Mitglieder des mittlerweile aufgelösten BUND-Ortsgruppe Kirchheim. Sie betonen, nicht grundsätzlich gegen erneuerbare Energien zu sein: „Erneuerbare Energien ja, aber nicht überstürzt auf Kosten wichtigerer Ressourcen und ohne Rücksicht auf Kosten. Ziele für den Ausbau der Freiflächen-PV sind ausschließlich im bereits überbauten Bereich zu realisieren.“

Freiflächen-PV-Anlagen sollen überall im Land gebaut werden. Die IBBD mit Volker Osdoba, Martin Dieterich und Robert Poremba (v.l.) ist dagegen.  Fotos: Tobias Tropper

 

Bei Konflikt keine Genehmigung

Das sieht man bei der Klmaschutzagentur des Landkreises Esslingen anders. „Wir können die Argumentationslinie des IBBD aus fachlicher Sicht nicht nachvollziehen“, sagt Magnus Schulz-Mönninghoff, Projektmanager für Photovoltaik bei der Klimaschutzagentur. Jede Fläche werde vor der Erschließung für erneuerbare Energieerzeugung einer Prüfung hinsichtlich der vor Ort bestehenden Schutzgüter wie Boden, Gewässer, Artenschutz oder Landschaftsschutz geprüft, betont er: „Bei Konflikten gibt es keine Genehmigung, und es kommt nicht zum Bau.“ 

Auch andere Naturschutzverbände sehen die Sonnenergienutzung in der Natur weniger kritisch. Im gemeinsamen Positionspapier von NABU und BUND Baden-Württemberg wird ausdrücklich auf die Förderung von Photovoltaik-Freiflächenalangen auf Agrarflächen empfohlen, anstatt sich auf Brachflächen zu beschränken. Wörtlich heißt es dort: „Die Beschränkung auf landwirtschaftlich benachteiligte Gebiete ist aus ökologischer Sicht nicht sinnvoll. Gerade schwierig zu bewirtschaftende und dadurch benachteiligte Gebieten sind oft wichtige Lebensräume für Flora und Fauna und damit wertvoll für den Naturschutz.“ Außedem werde durch diese Beschränkung die Suche nach geeigneten Standorten erschwert.  Der IBBD hält dagegen: „Der Schutz der Biodiversität braucht Fläche!“ und „Erneuerbare Energien ja, aber nicht überstürzt auf Kosten wichtigerer Ressourcen und ohne Rücksicht auf Kosten. Ziele für den Ausbau der Freiflächen-PV sind ausschließlich im bereits überbauten Bereich zu realisieren.“ Schulz Mönninghoff findet den Konflikt zwischen Klimaschutz und Biodiversität „konstruiert“. Denn, so der Experte: „Andersrum ist es richtig: Klimaschutz durch den Ausbau erneuerbarer Energien ist gleichzeitig Artenschutz. Es ist zudem nicht klar ersichtlich, ob es dem IBBD primär um Bodenschutz und Biodiversität, oder um die landwirtschaftliche Nutzung von Flächen geht. Auch für zweiteres zeigen kürzlich veröffentlichte Leitfäden des PV-Netzwerks Baden-Württemberg, welche in Zusammenarbeit mit den Landwirtschaftsverbänden erarbeitet wurden, dass die Photovoltaik eine Chance für die Landwirtschaft, und keinen Konflikt darstellt.“

Die bundesweite Feldstudie „Artenvielfalt im Solarpark des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft“ hat die Artenvielfalt in 25 Solarparks (davon einer in Dänemark) untersucht. Ergebnis: In 22 der untersuchten PV-FFA konnten 354 Pflanzenarten dokumentiert werden, darunter seltene und gefährdete Arten wie das Gelbweiße Ruhekraut. Auch 30 Heuschreckenarten sowie 34 Tagfalter- und Widerrchenarte bestätigen, dass Freiflächen-PV für mehr Biodiversität auf solchen Flächen sorgt. Die vollständige Studie wird im Frühjahr 2025 präsentiert.