Kirchheim/ Stuttgart. Der dreiste und professionell ausgeführte Kirchheimer Goldraub gegenüber einem Kurierfahrer vom Dezember 2015 bleibt weiter ungeklärt: Die Richter der 19. Großen Strafkammer am Stuttgarter Landgericht mussten gestern nach nur vier Verhandlungstagen die beiden mutmaßlichen Räuber überraschend mangels Beweisen freisprechen.
Über drei Jahre hat es gedauert, bis die Ermittler der Polizeidienststellen Nürtingen, Reutlingen und Esslingen im Januar dieses Jahres erste Erfolge in diesem komplizierten Kriminalfall vorweisen konnten. Nach der Ausstrahlung des Beitrags bei „Aktenzeichen XY ungelöst“ hatte sich ein Mann gemeldet, der zwar als Mitwisser und möglicherweise auch Beihelfer der Tat galt, dessen Erzählungen allerdings zweifelhaft waren. Dies, obwohl er Einzelheiten jenes Geschehens vom Abend des 14. Dezember in einem Kirchheimer Gewerbegebiet zum Besten gab, bei dem ein gerade aus München angekommener Werttransporter von zwei Männern überfallen wurde. Allein diese Erkenntnisse reichten aus, die beiden 34- und 35-jährigen Männer, deren Adressen der Zeuge gleich mitlieferte, am 9. Januar diesen Jahres festzunehmen.
DNA-Spuren nicht verwertbar
Der Stuttgarter Staatsanwaltschaft reichte daraufhin das DNA-Gutachten als Tatbeweis für die Anklage aus, in dem man auf Handschuhen Fragmente der von den beiden Angeklagten hinterlassenen Spuren entdeckt haben will. Der Fall, der die Bevölkerung rund um Kirchheim aufschreckte, schien somit aufgeklärt.
Doch zu früh gefreut: Die Richter der 19. Strafkammer am Stuttgarter Landgericht mussten am gestrigen vierten Verhandlungstag wegen fehlender Tatbeweise die beiden Männer vom Vorwurf des räuberischen Angriffs, der schweren Brandstiftung und des Raubes freisprechen. Die Spuren an den Handschuhen waren juristisch nicht verwertbar, weil sie als sogenannte Mischspuren lediglich in geringem Maße auswertbar sind. Zudem waren die Angaben des Zeugen, der es übrigens vorgezogen hatte, im Prozess keine Angaben zu machen, weil auch gegen ihn ermittelt werde, nicht ganz glaubhaft und nicht ganz nachvollziehbar. Bereits am Montag dieser Woche hatten die Richter daher die beiden Beschuldigten aus der Untersuchungshaft freilassen müssen.
Der Vorsitzende Richter der Stuttgarter Strafkammer stellt im Freispruch fest, dass mit dieser Entscheidung der bundesdeutsche Rechtsstaat einwandfrei funktioniert habe. Ein bloßer Verdacht - und um dies handele es sich in diesem Verfahren - reiche niemals für einen Schuldspruch und eine Verurteilung aus. Vielmehr müsse man als Richter von der Tat „überzeugt sein“. Doch zu viele Widersprüche in den Angaben des einzigen selbsternannten Zeugen hätten keine Überzeugung erbracht. Daher habe man freisprechen müssen.
Männer erhalten Entschädigung
Darüber hinaus ordnete das Gericht auch eine Haftentschädigung für die beiden Männer für die Zeit von Januar bis Juli diesen Jahres an.
Mit dem Urteil ist der Raubüberfall auf den Kurierfahrer vom Dezember 2015 in der Kirchheimer Bohnau weiter ungeklärt. Aus dem Fahrzeug hatten die - jetzt weiterhin unbekannten - Täter Gold und Goldwaren im Wert von 112 000 Euro erbeutet und anschließend das Transportfahrzeug sowie das Fluchtfahrzeug in der Nähe der A 8 in Brand gesetzt. Bernd Winckler