Als sie noch in Nürtingen tätig war, hat die katholische Gemeindereferentin Anna Bernau Familien zur Erstkommunion begleitet. Daran nahmen auch noch nicht getaufte Kinder teil. Oft wurde die Taufe auf ausdrücklichen Wunsch des Kindes nachgeholt. „Machen Sie das?“ wurde Anna Bernau dann meistens von den Familien gefragt. Und musste antworten: „Ich darf nicht.“ Denn bisher durften in der römisch-katholischen Kirche nur Menschen im Weiheamt die Taufe spenden, also der Bischof, Priester und Diakone – und damit nur Männer. Doch der Codex Iuris Canonici (CIC), das Gesetzbuch des Kirchenrechts, lässt eine Ausnahme zu: Mangelt es an Taufspendern, kann der Bischof einer Diözese die außerordentliche Taufspendung auch an Frauen und Männer ohne Weiheamt übertragen. Dafür hat Bischof Gebhard Fürst vor einem runden Jahr, am 1. November 2022, per Dekret den Weg geöffnet.
Am 8. November 2023 beauftragt er nun erstmals 22 Frauen und vier Männer, alle sind Gemeinde- und Pastoralreferenten und seit mindestens sieben Jahren im aktiven Dienst. Eine davon ist Anna Bernau, die im September 2018 von Nürtingen nach Kirchheim wechselte. Wenn Pfarrer Franz Keil in den Ruhestand geht, wird sie auch dort die Begleitung zur Erstkommunion übernehmen und erwartet dann wegen der Taufe erneut die Frage „Machen Sie das?“ „Dann kann ich Ja sagen“, sagt Anna Bernau und strahlt.
Sie versteht sich als Seelsorgerin, die Menschen begleitet und in Krisen stützt, die an den „Knotenpunkten des Glaubens“ dabei ist. „Mein Wunsch ist, dass Menschen gute Erfahrungen mit Kirche machen.“ Acht Stunden pro Woche ist sie eine begeisterte Religionslehrerin: „Ich diskutierte und philosophiere gerne mit den Kindern.“ Und sie freut sich auf die Taufen: „Die Taufe ist ein Sakrament, da ist die Nähe Gottes mit dabei.“ Eine kleine Einschränkung: „Auch mein zukünftiger Chef, der Nachfolger von Franz Keil, muss damit einverstanden sein.“
Als der Vorbereitungskurs ausgeschrieben wurde, war sofort klar: „Da bewerbe ich mich.“ Vom Kirchengemeinderat und von Pfarrer Franz Keil bekam sie volle Unterstützung. Das Interesse am Kurs war groß, es gab rund 90 Bewerbungen. Anna Bernau tut es leid um diejenigen, die nicht zum Zuge kamen: „Jeder hätte es mit Herzblut gemacht.“ Sie hofft, dass der Nachfolger von Bischof Gebhard Fürst sich möglichst schnell für einen weiteren Kurs ausspricht. „Der Bischof zeigt Mut“, lobt sie Bischof Fürsts Dekret. Bisher seien in Deutschland nur noch die Diözesen in Essen und Osnabrück denselben Weg gegangen. Es werde leider keine bundesweite Öffnung der Taufe für Gemeinde- und Pastoralreferenten – und damit auch für Frauen – geben.
Dabei bestehen an der Qualifikation beider Berufsgruppen keine Zweifel: Als Gemeindereferentin hat Anna Bernau in Mainz „Praktische Theologie“ studiert, also ohne die alten Sprachen. Bei Pastoralreferenten gehören auch noch letztere dazu. Die Feinheiten, die zur Taufe noch fehlten, vermittelte der Kurs. „Ich fühle mich sehr gut vorbereitet“, sagt Anna Bernau. Zum Kurs gehörte ein dreitägiges Seminar in Ellwangen, bei der Erinnerung muss sie schmunzeln. „Mit dem Stellvertretenden Dekan Stefan Möhler haben wir mit Hilfe einer Puppe geübt, wie man bei einer Taufe das Baby hält – oder es von den Eltern halten lässt.“ Dabei hatte die Gemeindereferentin als dreifache Mama gewisse Vorteile – und viele andere Mamas hatten sie auch.
Einstimmig befürwortet
Mag es außerhalb der Diözese Rottenburg-Stuttgart und in Rom Widerstände gegen die Beauftragung geben, innerhalb sind die Verhältnisse eindeutig. Unter den Taufspendern, sagt Weihbischof Matthäus Karrer, brauche es „mehr Vielfalt und Verschiedenheit“. So werde deutlich: „Wir sind gemeinsam Kirche und gemeinsam vielfältige Kirche.“
Der Entwurf des Dekrets sei mit dem Diözesanrat, dem Priesterrat, dem Diakonenrat, dem Ordensrat, der Frauenkommission sowie den Berufsverbänden der Pastoral- und Gemeindereferenten und deren Mitarbeitervertretung abgestimmt worden. Ausnahmslos alle beteiligten Gremien, sagt Karrer, hätten die neue Beauftragung zur Taufe befürwortet. pd