Recht
Antrag zur Abschaffung von Paragraph 218: „pro familia“ begrüßt den Entwurf

Eine Gruppe von Abgeordneten fordert die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Das Team der Kirchheimer Beratungsstelle „pro familia“ erklärt, welche Missstände die Neuregelung beheben könnte.

Die Initiatoren des Antrags argumentieren, dass die aktuelle Gesetzeslage die körperliche Autonomie von Schwangeren einschränke. Symbolbild

Schwangerschaftsabbrüche sollen nicht mehr illegal sein: Das verlangte eine fraktionsübergreifende Gruppe von rund 240 Abgeordneten in einem Gesetzentwurf Anfang November.

Wird der Antrag genehmigt, werden Abtreibungen künftig aus dem Strafgesetzbuch genommen und stattdessen im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt. Allgemein heißt das: Unter der Voraussetzung, dass der Eingriff bis zur zwölften Schwangerschaftswoche erfolgt, ist dieser offiziell nicht mehr rechtswidrig. Zu einem späteren Zeitpunkt wären Abtreibungen weiterhin illegal und strafbar, sofern diese nicht medizinisch notwendig sind.

Anders als die Gruppe zunächst vorhergesehen hatte, würde die Beratungspflicht weiterhin bestehen bleiben, die gesetzliche Wartepflicht nach dem Gespräch jedoch entfallen. Außerdem sollen die Kosten künftig von den gesetzlichen Krankenkassen getragen werden.

Aktuelle Lage „nicht zumutbar“

Andrea Reicherzer, Leiterin der Kirchheimer Beratungsstelle von „pro familia“, die Schwangerschaftskonfliktberatungen für Frauen anbietet, begrüßt den Gesetzentwurf. Die Diplom-Sozialarbeiterin erklärt, dass das aktuelle System einige Schwachpunkte aufweise. 

„Viele Ärzte wollen Abbrüche gar nicht erst vornehmen, weil sie fürchten, dafür am Pranger zu stehen“, so Reicherzer. Zudem seien die Hürden und der Zeitdruck zum Teil unrechtmäßig hoch. Durch eine ungünstige geographische Lage werde das für manche Frauen noch intensiviert: „Man muss sehen, dass es in Baden-Württemberg Gegenden gibt, in denen die Versorgungssituation ganz arg schlecht ist, weil entsprechende Praxen nur schwer erreichbar sind.“ Es müsse gewährleistet sein, dass der mit dem Eingriff verbundene Aufwand für die Frauen auch zumutbar sei, stellt die Therapeutin klar.

Durch die Abschaffung des umstrittenen Paragraphen 218 würde sich die Versorgungslage für Frauen laut Reicherzer maßgeblich verbessern; auch wäre es ein wichtiger Schritt für die reproduktiven Rechte von Frauen und Paaren.

„Es ist ja auch ja auch ein psychologischer Aspekt“, argumentiert Joachim Elger von der Kirchheimer Beratungsstelle. „Wenn im Gesetz eine Strafandrohung formuliert wird, die nach der Erfüllung gewisser Voraussetzungen wieder zurückgenommen wird, ist das eine zusätzliche psychische Belastung.“ Den ohnehin schon mental belasteten Frauen das Gefühl zu vermitteln, eine Straftat zu begehen, halte er für eine Zumutung, so Elger. Andrea Reicherzer ergänzt, dass die Regelung im Strafgesetzbuch in ihren Augen Frauen kriminalisiere.

Im Idealfall müsse sich für das Team von „pro familia“ noch deutlich mehr tun; die gesetzliche Neuregelung – sofern sie die nötige Zustimmung erhält – sei jedoch ein Anfang.

Wie eine Beratung aussieht

Wichtig ist für Joachim Elger, dass ungewollt schwangere Frauen keine Angst vor dem Beratungsgespräch haben müssen. „Es ist keine Prüfungssituation, sondern eine ergebnisoffene Beratung“, stellt der Diplom-Psychologe klar. 

„Zu uns kommen sowohl Frauen, die bereits fest entschieden sind, die Schwangerschaft abzubrechen als auch Frauen, die noch sehr ambivalent sind“, berichtet Andrea Reicherzer. Auch der Wissensstand der Schwangeren variiere stark. Ziel des Gesprächs, so Reicherzer, sei es letztlich, die ambivalenten Gefühle der Frau zu reflektieren, alle für sie wichtigen Informationen zu vermitteln, Hilfsangebote für die Fortsetzung der Schwangerschaft aufzuzeigen und ihr zu helfen, die bestmögliche Entscheidung für sich, ihre Familie und ihr Leben zu treffen.

Aktuelle Gesetzeslage

Schwangerschaftsabbrüche sind momentan in Paragraph 218 des Strafgesetzbuchs geregelt.

Abtreibungen sind demnach immer gesetzeswidrig, bleiben jedoch straffrei, sofern der Eingriff bis zur zwölften Schwangerschaftswoche durchgeführt und zuvor ein Beratungsgespräch besucht wurde.

Nach dem Beratungsgespräch ist eine Wartezeit von drei Tagen verpflichtend.

Nicht erforderlich ist eine Beratung, wenn die Schwangerschaft das Resultat eines sexuellen Missbrauchs ist. Dies gilt ebenso, wenn die körperliche oder seelische Gesundheit der Frau schwerwiegend gefährdet ist.

Diese Sonderfälle machen in der Regel jedoch weniger als fünf Prozent aller Abbrüche aus.

Die Krankenkasse übernimmt die Kosten nur aus kriminologischen oder medizinischen Gründen sowie bei sozialer Bedürftigkeit. fip