Kirchheim
Apotheken schlagen Alarm

Versorgung Weil sie mit der Gesundheitspolitik der Bundesregierung unzufrieden sind, folgen Apotheken in der Region der Aufforderung des Verbands und schließen am Mittwoch, 27. September, stundenweise ihre Türen. Von Debora Schreiber

Wer Mittwochmittag zur Apotheke möchte – steht mit hoher Wahrscheinlichkeit vor verschlossenen Türen. „Wir nehmen am Protest teil und halten unsere Türen von 13 bis 15 Uhr geschlossen“, sagt Maria Antonia Kühnle, die Filialleiterin der Eberhard-Apotheke in Notzingen. Grund dafür: Der Apothekerverband ruft seine Mitglieder zum Protest gegen die Politik von Gesundheitsminister Karl Lauterbach auf.

 

Die Infrastruktur von Apotheken wird völlig grundlos zerstört.
Dr. Matthias Kühnle
Inhaber der Eberhard-Apotheke in Notzingen und der Kirch-Apotheke in Hochdorf

 

Einen kleinen Erfolg gab es schon: „Nach dem ersten Protest am 14. Juni, dürfen Krankenkassen nicht mehr wie bisher Retaxierungen durchführen.“ Sei auf dem Rezept nur ein Kreuz falsch gesetzt worden, konnten die Krankenkassen bis dahin die Bezahlung auf Null runtersetzen. „Bei Medikamenten, die mehrere Tausend Euro kosten, fällt das natürlich ins Gewicht. Ich bin schon froh, dass dieses Damoklesschwert weg ist, ausreichend ist das aber nicht“, sagt Dr. Tobias Raichle aus der Ärztezentrum-Apotheke in Kirchheim.

„Durch die schlechte Honorierung wird die komplette Infrastruktur von Apotheken, die über Jahre hinweg aufgebaut wurde, völlig grundlos zerstört“, sagt Dr. Matthias Kühnle, der Inhaber der Eberhard-Apotheke und der Kirch-Apotheke in Hochdorf. Für junge Menschen sei es unattraktiv, eine Apotheke zu übernehmen. „Die Inhaber haben auf der einen Seite ein sehr hohes finanzielles Risiko, auf der anderen wird die Honorierung seit Jahren nicht angepasst. Personal gibt es auch zu wenig“, sagt der Apotheker. Es gäbe vor allem in ländlichen Regionen seit Jahren ein Apothekensterben. Wieso dieser Entwicklung nicht entgegengewirkt werde, könne er nicht verstehen. „Das ist genauso, wie wenn man die Autobahn abreißen würde, und der Verkehr auf Landstraßen umverteilt werden würde“, sagt Matthias Kühnle. Seine konkrete Forderung: Die Honorierung müsse an die steigenden Lebenshaltungskosten angepasst werden. „Wir sind hier immer noch auf dem Stand von vor knapp 20 Jahren." 

Das sieht auch Dr. Tobias Raichle aus der Ärztezentrum-Apotheke in Kirchheim so: „Da die allgemeinen Kosten immer weiter steigen, bedeutet das jedes Jahr, in dem der Fixbetrag nicht erhöht wird, eine faktische Kürzung. Das stehe in keinem Verhältnis. Schon gar nicht, wenn man bedenke, was die PTA- und PKA-Kräfte alles leisten und dass auch ihre Gehälter an die derzeitige Inflation nicht angepasst werden könnten. Aber auch das Studium der Apothekerinnen und Apotheker werde finanziell nicht angemessen gewürdigt. Die Bezahlung bleibe gleich, der Aufwand steige: „Durch Lieferengpässe dauert alles länger.“ Ständig müsse überprüft werden, welches Medikament alternativ verwendet werden kann, weil das Verschriebene nicht vorrätig ist. Das alles koste zusätzliche Arbeitszeit. Der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte: „Anfang des Jahres wurde auch noch der Apothekenabschlag an die Krankenkassen erhöht – damit ist die finanzielle Belastung noch höher“, so Tobias Raichle. „Es wurde zwar eine Lieferengpassvergütung eingeführt.“ Dafür wären aber wieder viele Arbeitsschritte notwendig. „Damit sollen wir jetzt abgespeist werden, anstatt einfach die Honorierung zu erhöhen. Mit extrem bürokratischen ,Minipauschalen’ ist nichts gewonnen.“