Unter der Schirmherrschaft von Landrat Heinz Eininger verleiht die Architektenkammer Baden-Württemberg Preise für „beispielhaftes Bauen“. Es gilt, gut gestaltete Architektur zu prämieren und als vorbildliche Impulse für die Baukultur im Landkreis hervorzuheben.
Eines der ausgezeichneten Gebäude ist das „Haus WerkStadt“ im Kirchheimer Steingau-Quartier. Seine Architektur ist Form gewordenes Programm. Hier geht Wohnen mit gesellschaftlichem Mehrwert einher. Der kompakte Bau beherbergt eine Werkstatt als öffentlichen Gemeinschaftsraum, eine Büroeinheit sowie acht Eigentums- und Mietwohnungen, zwei davon als Sozialwohnungen gefördert.
Das war wie ein Puzzle im 3D-Format.
Architekt Sascha Luippold
Das Haus ist noch jung und besitzt bereits eine reiche Geschichte. Sie beginnt mit der Baugruppe. Im Sommer 2017 lernen sich die Bauherren beim Grillen an den Bürgerseen näher kennen. Größere Fluktuationen bleiben aus, die siebenköpfige Gruppe bleibt stabil. Eine Besonderheit, die sie einem austarierten Verhältnis verdankt: „Wir kommen in dem Nähe-Distanz-System, das wir zueinander haben, sehr gut klar“, sagt Gernot Pohl.
Einen weiteren Grund für das konstruktive Miteinander sieht Kirchheims Stadtplaner in der guten Unterstützung durch die Architekten Sascha Luippold und Claudia Jung. Letztere hat als Projektmanagerin den Diskussionsprozess begleitet. In 28 Sitzungen wurde getüftelt, beratschlagt und Neues ersonnen. „Die Baugruppe hat sich stark für Architektur interessiert und das sieht man dem Haus auch an“, erzählt Sascha Luippold. Als Architekt war er mit der Herausforderung konfrontiert, individuelle Vorstellungen mit dem sozialen Anliegen der Baugruppe zu vereinen: „Das war wie ein dreidimensionales Puzzle“. Da war es hilfreich, dass Einzelne auf private Quadratmeter verzichtet haben, wenn es dem Gesamtkonzept dienlich war.

„Wir sind eine Graswurzelgruppe, alle haben die Gemeinschaft über alles gestellt“, sagt Pohl. Stets sei die Bereitschaft dagewesen, persönliche Interesse zurückzunehmen, um eine gute Lösung für alle zu erzielen. „Von dieser Baugruppe kann man lernen, wie Individualität und Kompromiss zusammengehen, diese Menschen wollen ein Stück Stadt gestalten“, meint Luippold. Auch der Werkstattraum im Erdgeschoss sei im Lauf dieses Prozesses entstanden, verrät Christoph Tangl. Der Multifunktionsraum wurde von den Wohnungseigentümern mitfinanziert. Gegen geringe Miete kann auf 31 Quadratmetern gebastelt, gefeiert oder konferiert werden. Werkzeuge, Leinwand und Musikanlage sind vorhanden.
„Wir sind froh, dass wir diesen Bauplatz bekommen haben, denn der Vorplatz verdoppelt die Fläche des Gemeinschaftsraums“, sagt der frühere Leiter der Kirchheimer Familienbildungsstätte. So könne das Werkstadt-Haus in den öffentlichen Raum ausstrahlen und als „soziale Insel“ fungieren: „Damit beleben wir das Viertel und bringen uns im Quartier ein“. Äußerlich besticht der preisgekrönte Holz-Hybrid-Bau mit schlichter Ästhetik. Gerundete Formen verbergen großzügige Balkone und Dachterrassen. Dezente Eleganz hat oftmals ihren Preis. Auch beim „WerkStadt-Haus“? „Das Steingau-Quartier ist kein Reichen-Ghetto“ stellt Gernot Pohl klar. Hier baue jeder so teuer oder günstig, wie er will. Ob Marmor oder Laminat, das sei letztlich eine Frage der persönlichen Ansprüche. „Unser Haus ist weder exklusiv noch hochpreisig“ bekräftigt Christoph Tangl.

Dank der Schottenbauweise ließen sich die Baukosten niedrig halten. Die Schottenkonstruktion ist nachhaltig. Sie ermöglicht es, Elemente neu anzuordnen. Künftige Generationen können das Haus individuell anpassen. Gegenwärtig wohnen dort 19 Menschen im Alter von 3 bis 73 Jahren. Im Mai 2021 war der Einzug, für Gernot Pohl eine schöne Erinnerung. Auch Christoph Tangl fühlt sich rundum wohl: „Die Gedanken, die wir uns vier Jahre lang gemacht haben, sind Holz und Stein geworden – und alles passt.“