Verblüffend. Das geht einem durch den Kopf, wenn man mit Klara Schad spricht. „Mr hilft hald mit“, sagt die Kirchheimerin in breitem Schwäbisch, als wäre es die natürlichste Sache der Welt, mit 93 Jahren noch hinterm Ladentisch zu stehen und einzuspringen, wenn es „brennt“. Sprich, wenn Ware kommt oder ein Vertreter und ihre Töchter deshalb kurz weg
bei uns.
müssen. „Das Geschäft macht mir nix aus“, sagt die betagte Frau zum wiederholten Mal. Wie sollte es auch? Sie gehört seit gut 60 Jahren in die Alleenstraße 4. Hierher, zwischen zigtausende Spielwaren, die sich in den Regalen bis zur Decke stapeln, wo sie die kleine Frau weit überragen. Schon die mit Kuscheltieren, Dreirädern, Sandkästen, bunten Trinkflaschen und Eisenbahnen prallgefüllten Schaufenster vermitteln einen Eindruck von dem, was der Laden bietet.
Es gibt wohl kaum etwas, was es bei „Baby- und Spielwaren Schad“ nicht gibt: Dicht an dicht sind in dem Kirchheimer Traditionsgeschäft Puppen und Baustellenfahrzeuge, Lego- und Playmobilkartons in allen Varianten, Spiele für die Reise und all die anderen Sachen, die Kinderaugen zum Leuchten bringen, aufgereiht. Wie viele Artikel es sind, die teils von Großhändlern, teils direkt von meist namhaften Herstellern bezogen werden, weiß niemand so genau.
„An und für sich haben die Leute schon Auswahl bei uns“, sagt Klara Schad mit der ihr ganz eigenen Mischung aus Bescheidenheit und Stolz, als sie sämtliche Winkel bis in die Lagerräume im Keller präsentiert. In der Babyabteilung hinten im Erdgeschoss geht es vorbei an Kindersitzen fürs Auto, an Kinderwagen, Tripp-Trapps, Bademäntelchen und Schlafsäcken. Angetan hat es ihr die „Spielecke“. Es ist eine Holzbahn in Kniehöhe – „etwas, das es in der Art heute nicht mehr gibt“, wie sie beiläufig fallen lässt. Die Anlage stammt noch von ihrem Schwiegervater Eugen Schad. Er hatte das Geschäft 1928 in der Max-Eyth-Straße gegründet. Anfangs verkaufte er Fahrräder und Motorräder. Acht Jahre später erfolgte der Umzug an den jetzigen Standort.
Das Sortiment bei Schad wechselte immer wieder. Mal gab es Korbwaren, mal Nähmaschinen, mal Babymöbel. Was keine Abnehmer mehr fand, wurde abgestoßen. „Man kriegt mit der Zeit raus, was lauft“, sagt Klara Schad. Bastelsachen wie Bügelperlen und Material für Freundschaftsbänder seien derzeit der Renner, so ihre Tochter Annette Schad. Genauso Krimskrams für die Schultüte. Der Barbie-Hype durch den Film wirke sich indes noch nicht aus. Barbies gingen aber sowieso immer.
Der Handel mit Babyartikeln und Spielwaren begann Anfang der 1960er Jahre. Als Schwiegertochter wuchs Klara Schad in das Geschäft hinein, „trieb den Laden später mit ihrem Mann um“, wie sie es nennt. „Ich habe immer alles Schriftliche gemacht. Noch heute richte ich den Monat hin.“ Die „teuren“ Computer im Büro sind anders als die betagte Kasse mit dem ausladenden Metallhebel nicht mehr ihre Welt, die Abrechnungen mit Einnahmen und Ausgaben, die sie säuberlich in einem Ordner abgeheftet hat, dagegen schon.
Was Klara Schad gefällt, ist der Kontakt zu den Kundinnen und Kunden. „Es kaufen viele ältere Leute ein, die du kennst“, sagt sie. Tags zuvor habe ein Ehepaar, das schon seit 35 Jahren regelmäßig komm, vorbeigeguckt, um „Grüß Gott“ zu sagen. Im Mittelpunkt zu stehen, passt der 93-Jährigen eigentlich so gar nicht. „Gell, über mi schreibat Se et so viel“, sagt sie noch einmal bestimmt und schiebt ihre 55 und 57 Jahre alten „Mädla“ nach vorne. Ihre Töchter Annette und Gudrun Schad haben den Laden nach dem Tod des Vaters vor drei Jahren übernommen. Zusammen mit Dominik Zalik, der in Teilzeit mitarbeitet, bilden sie die Belegschaft. Der einzige Mann im Betrieb kümmert sich ums Digitale.
Seit ein paar Jahren kann bei „Baby- und Spielwaren Schad“ auch im Online-Shop eingekauft werden. „Das ist ja auch Werbung“, sagt Annette Schad und redet das Angebot damit in den Augen ihrer Mutter klein. „Da wird schon was verkauft“, betont Klara Schad dagegen resolut. „Gestern hattest du doch sieben oder acht Päckla“, so die 93-Jährige. Sie ist up to date, erzählt von „Insidern“, die gegen einen Mitgliedsbeitrag nicht nur exklusive Club-Modelle von Märklin-Eisenbahnen bekommen, sondern auch immer mit den neuesten Infos versorgt werden. Klara Schad hält sich indes in Sachen Baby- und Spielwaren auf dem Laufenden. Beim Besuch der Nürnberger Spielwarenmesse im Februar war sie wie immer selbstverständlich dabei. „Da war ich die Älteste“, sagt sie fast kokett.
Die Spielwaren fürs Weihnachtsgeschäft sind überwiegend im Haus, Schlitten und Bobs liegen bereit. Während intern alles rund läuft, bedauert Klara Schad, dass die Läden in der Nachbarschaft nach und nach geschlossen wurden. Sie erinnert an Geschäfte wie Betten-Räpple, das Lichthaus Schweiss und verschiedene Raumausstatter. „Wir waren eine Geschäftsstraße“, so bringt sie es auf den Punkt. Bei Aktionen des City Rings sei man natürlich dabei. Doch um auf sich aufmerksam zu machen, müsse man etwa beim Late-Night-Shopping an der Max-Eyth-Straße ein Schild aufstellen. Ein bisschen schwindelig ist es Klara Schad heute. Kein Wunder, früh morgens hat sie wie alle drei Wochen das Papier für die Abholung rausgestellt und anschließend gefegt. Ach ja, und nachher stellt sie sich an den Herd und kocht wie jeden Tag für sich und die „Mädla“. Verblüffend.
Das Geschäft gibt es seit 95 Jahren
1928 gründete Eugen Schad einen kleinen Laden in der Kirchheimer MaxEyth-Straße. Verkauft wurden Fahrräder und Motorräder.
1936 zieht das Geschäft in die Alleenstraße 4 um. Vier Jahre später kauft Eugen Schad es einem Seifensieder namens Schmied ab.
1960 werden die ersten Babyartikel verkauft. Mit Spielwaren beginnt Eugen Schad 1962 zu handeln.
1994 übernimmt Artur Schad das Geschäft seines Vaters. Der Ladenwird auf mehr als 450 Quadratmeter ausgebaut.
2020 übernehmen die Töchter Annette und Gudrun Schad den Betrieb von ihrem Vater als Inhaberinnen. ank