Umwelt
Auf der Suche nach Kirchheims verlorenem Müll

Bei der Bachputzete in Kirchheim gehen Klein und Groß gemeinsam auf „Schatzsuche“. Die vollen Säcke stapeln sich an neun Sammelstellen. 

Eine alte Registrierkasse: Ein Mitglied des Fischervereins muss selbst über seinen ungewöhnlichen Fund lachen.  Foto: Jule Störk

Ein Schrei hallt über den Juchertbach: „Ich hab was!“ Ein Kind rennt los, die anderen hinterher. Mit hochroten Wangen liefern sie sich ein Wettrennen – nicht zum nächsten Spielgerät, sondern zum nächsten achtlos weggeworfenen Kaffeebecher. Die Bachputzete am Jauchertbach gleicht einer Schatzsuche, bei der jedes gefundene Stück zählt.

Jedes Jahr ruft die Stadt Kirchheim zur großen Bachputzete auf – und wie immer sind etliche Vereine und Privatpersonen mit dabei. Auch der pädagogisch betreute Naturspielplatz SNEG, der Südstadt-Natur-Erlebnisgarten, ist fester Bestandteil der Aktion. Die Kinder, die regelmäßig Zeit am Bach verbringen, sind sofort dabei – für sie ist es selbstverständlich, Müll aufzusammeln, wenn sie ihn sehen. Auch die Eltern ziehen mit.

 

„Kinder brauchen keine Anweisungen, sie brauchen Vorbilder.

Andreas Lang, Leiter des SNEG

 

„Das gehört einfach dazu“, erzählt ein Vater, der mit seinem Sohn nicht nur am Aktionstag, sondern einmal im Monat auch den Spielplatz am Bulkesweg aufräumt.

Nicht nur Schnelligkeit ist gefragt – bevor etwas entsorgt wird, wird diskutiert. „Denkt ihr, man kann den reparieren?“, fragt ein Junge, als er einen verstaubten Sandwich-Maker aus dem Gebüsch zieht. Eifrig beraten die Kinder, ob sich eine Reparatur lohnen könnte, wägen Möglichkeiten ab – während die Erwachsenen schmunzelnd zuhören und ihnen die Zeit zum Überlegen lassen, bevor das Gerät schließlich in der großen blauen Mülltüte verschwindet. Beim Müllsammeln geht es nicht nur ums Aufräumen, sondern auch ums Nachdenken.

Dass dieser bewusste Umgang mit der Natur und den Ressourcen den Kindern so selbstverständlich ist, liegt am Konzept von SNEG. Hier wird nicht nur über Nachhaltigkeit gesprochen – sie wird gelebt. „Kinder brauchen keine Anweisungen, sie brauchen Vorbilder“, sagt Andreas Lang, Leiter des SNEG. „Wenn sie sehen, dass wir Müll aufsammeln, tun sie es auch.“ Auch Kirchheims Oberbürgermeister Dr. Pascal Bader lässt es sich nicht nehmen, mit der Gruppe am Bach entlangzugehen und mit anzupacken.

Kinder und Erwachsene gingen am und im Jauchertbach gemeinsam auf Mülljagd. Foto: Jule Störk

Während die SNEG-Kinder teils am Ufer, teils knietief im Wasser Müll aufsammeln, sind die Mitglieder des Fischervereins traditionell mit Greifern in tieferen Gewässern unterwegs, um größere Fundstücke aus den Bächen zu bergen. Sie sind seit Jahren dabei und haben schon einiges gesehen – aber nicht mehr viel, was sie überraschen kann. „Eine Badtür hatten wir aber auch noch nicht“, sagt einer der Fischer schmunzelnd und zeigt auf den sperrigen Fund. Neben allerlei Plastikmüll taucht auch ein altes Sofa auf. „Man fragt sich wirklich, was sich die Leute dabei denken.“

Kinder und Erwachsene gingen am und im Jauchertbach gemeinsam auf Mülljagd. Foto: Jule Störk

An den insgesamt neun Sammelstellen stapeln sich am Ende gut gefüllte Müllsäcke, die der Bauhof im Anschluss abholt. Die Stadt Kirchheim stellt jedes Jahr das nötige Material zur Verfügung – von Müllsäcken bis zu Greifzangen.

„Der schönste Arbeitsplatz der Welt“, nennt es Andreas Lang, der nicht müde wird zu betonen, wie wichtig es ist, die Natur mit allen Sinnen zu erleben. Neben dem Müllsammeln balancieren die Kinder über Steine, erkunden das Wasser – und haben längst ein geschultes Auge für Pfandflaschen. „Die behalte ich“, ruft ein Junge, als eine Cola-Flasche zwischen den Ästen auftaucht. Schon landen die Fundstücke nicht in der Mülltüte, sondern in einem separaten Beutel – zum späteren Wegbringen und Taschengeld aufbessern. „Wenn Kinder Zeit in der Natur verbringen, entwickeln sie automatisch einen achtsamen Umgang damit“, sagt Lang. Die Bachputzete ist dafür nur ein weiteres Puzzlestück – aber eines, das Eindruck hinterlässt.