In Kirchheim beginnt die „fünfte Jahreszeit“ immer dann, wenn zwei Großereignisse am selben Tag ihren Startschuss abfeuern – am frühen Abend das Weindorf auf dem Rollschuhplatz und wenige Stunden später das Sommernachtskino auf dem Martinskirchplatz. Beides gehört zu den festen Bestandteilen im Kirchheimer Jahreslauf, und die jeweiligen Veranstalter beweisen Jahr für Jahr, dass sie die „friedliche Koexistenz“ meisterhaft beherrschen, nur wenige Meter Luftlinie voneinander entfernt.
Das Weindorf läutet nicht nur die „fünfte Jahreszeit“ ein: Die drei Wirte – Michael Holz, Robert Ruthenberg und Walter Brackenhammer – betonen auch immer wieder selbstbewusst, dass es in dieser Zeit auf dem Rollschuhplatz einen „fünften Teilort“ in Kirchheim gibt. Das Besondere: Obwohl an der Spitze der anderen vier Teilorte Ortsvorstehern beziehungsweise eine Ortsvorsteherin zu finden sind, hat das Weindorf seit einigen Jahren immer denselben „Bürgermeister“: Michael Holz.
Erstmals hat er diese Woche sogar einen Amtseid geleistet, den der SPD-Stadtrat und -Landtagsabgeordnete Andreas Kenner vorformulierte: „Ich gelobe, die Gesetze des Weindorfs zu befolgen – und nach jedem dritten Viertele ein Glas Wasser zu trinken.“ Anschließend erhielt er aus den Händen von Oberbürgermeister Pascal Bader die „Amtskette“ des Weindorf-Bürgermeisters: Sie zeigt einen gutgelaunten Weingott Bacchus vor dem Hintergrund des Kirchheimer Stadtwappens. Bacchus dürfte aber flexibel genug sein, sich jederzeit in einen Dionysos zu verwandeln, sobald – ganz im Sinne von Udo Jürgens –„Griechischer Wein“ ausgeschenkt wird.
Oberbürgermeister Bader lobte das Weindorf als eine Institution, die in großartigem Ambiente die besten Weine anbietet, aus der Region ebenso wie aus aller Welt. Das weiß er zu schätzen – auch wenn er selbst zur Eröffnung erst einmal „ein sehr helles Schorle“ getrunken hat. Die entscheidende Frage von Michael Holz, wo denn im kommenden Jahr das Weindorf seine Lauben aufbauen wird, konnte er noch nicht abschließend beantworten: Der Beschluss zum Bau des neuen Verwaltungsgebäudes am Rollschuhplatz sei zwar gefasst. „Aber wer heute bauen will, wagt keine exakten Prognosen mehr, weder zu den Kosten noch zum Zeitplan.“ Auf jeden Fall aber werde 2023 das 34. Kirchheimer Weindorf seine Pforten öffnen –„entweder hier oder auf einem anderen geeigneten Platz“.
Die Platzfrage hatte auch im Vorfeld des Sommernachtskinos eine wichtige Rolle gespielt: Nur weil es bei der Kornhaussanierung zu Verzögerungen kam, kann das Open-Air-Kino-Team sein Publikum auch zur 20. Saison auf den angestammten Platz einladen. Am ersten Abend arbeitet die Stadt besonders eng mit dem Kino zusammen, wenn die ehrenamtlich Engagierten traditionell zum „Dankeschön“-Abend auf den Martinskirchplatz strömen.
„Es dürfte ein paar Grad kälter sein“
Viele Filme seien bereits nahezu ausverkauft, stellte Oberbürgermeister Bader fest – für ihn ein Zeichen, dass Reimund Fischer und seinem Team „ein großer Kino-Erfolg“ bevorsteht. Für die Filme gilt dasselbe, was er bereits auf dem Weindorf gesagt hatte: „Ich hoffe, dass das gute Wetter weiterhin anhält – auch wenn es ein paar Grad kälter sein dürfte.“
Auch Bürgermeisterin Christine Kullen begrüßte die Ehrenamtlichen auf dem Kirchplatz und bedankte sich bei ihnen, „denn ohne Ehrenamt würde unser gesellschaftliches Leben zum Erliegen kommen“. Für den Film „Wunderschön“ machte sie ebenso Werbung wie Pfarrer Christian Lorösch, der auf 28. August zum ökumenischen Gottesdienst einlud, bei dem dieser Film im Mittelpunkt steht. Im Anschluss an den Gottesdienst gibt es noch ein Weißwurstfrühstück zum Ausklang der 20. Kino-Saison.