Vortrag
Aufruhr in Kirchheim

Rosemarie Reichelt hat im Spitalkeller der VHS zum Bauernkriegsjubiläum gesprochen. Im Mittelpunkt stand der Aufenthalt des Heeres im Jahr 1525 in der Stadt. 

Zum Bauernkriegsjubiläum finden dieses Jahr zahlreiche Veranstaltungen in Kirchheim statt. Foto: Sandra Langguth

Unter dem Titel „Aufruhr in Stadt und Amt Kirchheim 1525“ hat Rosemarie Reichelt im ausgebuchten Spitalkeller der VHS Kirchheim einen faktenreichen Abend zur Geschichte des Bauernkriegs bei uns im Herzogtum und auch speziell in Kirchheim gestaltet. Thema waren auch die drei Tage als Residenzstadt des Bauernheers vom 30. April bis 3. Mai 1525. Nach der Erfindung des Buchdrucks, der Niederschlagung des „Armen Konrad“ 1514 und der Reformation 1517 war der Aufstand der „armen Leut“ und eben nicht nur der Bauern, der erste große Befreiungsversuch der unteren Stände gegen Adel und Geistlichkeit.

Neuer Aufwind für die Bauern

Nun ist die Geschichte, so Rosemarie Reichelt, speziell im Herzogtum Württemberg nur richtig zu verstehen, wenn die Vertreibung von Herzog Ulrich nach seinem Landfriedensbruch nach dem Überfall auf die freie Reichstadt Reutlingen ins Exil nach Mömpelgard mitbedacht wird. Die Statthalterregierung übernahmen die habsburgerisch-katholischen Bayern. Für die 1524 von Stühlingen losmarschierenden Aufständischen waren dies die entscheidenden Gegenspieler. Herzog Ulrich schloss sich nun der Reformation von Zwingli an und sah den Aufstand als Chance, zurück an die Macht zu kommen und die Habsburger zu vertreiben.

Zunächst schien der konservative Schwäbische Bund unter der Führung von Jörg Truchsees von Waldburg Ulrich in Schach halten zu können, aber in Oberschwaben und gestärkt durch die „Zwölf Artikel von Memmingen“, die unter anderem die Aufhebung der Leibeigenschaft als wichtigste Forderung proklamierten, bekamen die Bauern neuen Aufwind. Nach der Bluttat von Weinsberg mit der Ermordung vieler Adliger zog der „Bottwarer Haufen“ gen Stuttgart mit der Einnahme ab 25. April. Die Regierung floh nach Tübingen.

Im Mittelpunkt des Vortrag von Rosemarie Reichelt stand natürlich der Aufenthalt des Bauernheers mit rund 5000 Personen vom 30. April bis 2. Mai 1524 in der Stadt Kirchheim mit damals vermutlich rund 2200 Einwohnern. Der Zug führte über Waiblingen und Ebersbach und der Zerstörung des Schlosses von Notzingen durch das Jesinger Stadttor am heutigen „Weißen Ochsen“ in die Stadt. Quartier bezogen die Anführer Feuerbacher und Wunderer im Gebäude der heutigen Marktstraße 25, wo heute die dm-Drogerie untergebracht ist, genau gegenüber dem Rathaus, damals auf dem heutigen Marktplatz. Das Heer campierte auf der Hahnweide. Personen kamen in Kirchheim wohl nicht zu Schaden, Plünderungen um Verpflegung zu bekommen, gab es aber unter anderem im Frauenkloster (heute Finanzamt), dem Pfleghof des Adelberger Klosters (Vogthaus) und im Schloss.

Streit unter den Anführern der Bauern über die zukünftige Taktik führte unter anderem zur Zerstörung der Burg Teck, und der Zug führte weiter über Nürtingen und Herrenberg bis zur entscheidenden Schlacht in Böblingen mit Truchsees und der vernichtenden Niederlage gegen die überlegene Reiterschaft des Bundesheers. Die Anzahl der Opfer wird auf 3000 bis 8000 Mann geschätzt.

Loyale Stadt wird belohnt

Ein interessantes Detail der Folgen des Bauernkriegs und der späteren Rückkehr von Herzog Ulrich 1534 bildete den Schluss des kenntnisreichen Vortrags von Rosemarie Reichelt: Der Herzog führte die Reformation zur Abgrenzung gegen die katholischen Habsburger in Württemberg ein und bedachte das für ihn loyale Kirchheim – neben Schorndorf vermutlich als einzige Stadt – mit dem rund 20-jährigen Aufbau einer Landesfestung, unter anderem mit einer Neugestaltung des Schlosses.

Für ihren Vortrag erhielt Rosemarie Reichelt, die sich seit mehr als 40 Jahren mit Ortschafts-Geschichte befasst, großen Applaus. Nach einer Fragerunde, moderiert von Archivleiter Dr. Frank Bauer, gab es noch einen kleinen Werbeblock für die vielen weiteren Veranstaltungen im Laufe des Jahres.