Das europaweit bekannte Pianisten-Duo Yseult Jost und Domingos Costa verzauberte beim Meisterkonzert des Kulturrings die zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörer in der Stadthalle Kirchheim mit einem vielfältigen Programm und perfekten Interpretationen von Werken der Romantik. Bereits zum dritten Mal gastierten die sympathischen Künstler in der Teckstadt, und das Abo-Publikum wusste, dass Großes zu erwarten war.
Gleich zu Beginn stellen sie im „Grand marche héroique“ von Franz Schubert (1797 – 1828) die ganze Bandbreite ihres pianistischen Könnens unter Beweis. Orchestrale Pracht strömt in wuchtigen Akkordschlägen aus dem Konzertflügel, gefolgt von lieblichen Klängen, die hochsensibel mit einer samtweichen Anschlagstechnik erzeugt werden.
Das Duo besticht durch perfekte Spieltechnik, Vielfalt des Ausdrucks und fein nuancierte Differenzierung der Lautstärke. Das geradezu traumwandlerische, bis ins Detail synchrone Zusammenspiel sucht seinesgleichen. Jost und Costa spielen wie aus einem Guss und Geist.
In seiner Moderation kündigt Domingos Costa eine imaginäre musikalische Reise mit Werken der Komponisten Schubert, Brahms, Liszt und Ravel an und fügt hinzu: „Gleichzeitig zeichnet diese Musik intime persönliche Klanglandschaften. Für Franz Schubert zum Beispiel war ein Spaziergang fester Bestandteil seines Tagesablaufs.“ In vier seiner „Ländler“ spiegeln die Pianisten diese Bewegung wider und verdeutlichen zugleich mit dem milden pastoralen Klangbild das romantische Lebensgefühl, das „Einssein“ mit der Natur. Herrlich erklingen die vom Gesang her empfundenen Melodien gepaart mit der graziösen Leichtigkeit der Tänze.
Ganz anderes Flair versprühen die „Ungarischen Tänze“ von Johannes Brahms (1833 – 1886). Sie treffen mit ihren wilden Rhythmen ganz besonders den Geschmack des Publikums. Die Tastenkünstler spielen wie entfesselt und glänzen mit feuriger Leidenschaft in schnellen Läufen, die sich mit ruhigen Klangflächen abwechseln wie im „Csardas“, dem Nationaltanz Ungarns.
Höhepunkt nach der Pause
Nach der Pause präsentieren Yseult Jost und Domingos Costa eine sehr eindrucksvolle Interpretation der symphonischen Dichtung „Les Préludes“ des großen romantischen Meisterpianisten Franz Liszt (1811 – 1886). Zweifellos der Höhepunkt des Konzerts! Auswendig spielend demonstrieren sie in dieser äußerst schwierigen Komposition alle Möglichkeiten pianistischer Virtuosität und vermitteln mit hoher Klangsensibilität den außermusikalischen Inhalt: Phasen des Lebens, Kämpfe und Stürme, Liebesglück und Schmerz, Trost, Erleben der Natur.
Walzer ohne Eleganz
Die Einführung von Domingos Costa zur hochinteressanten Walzercollage ist ein hilfreicher roter Faden für die Zuhörer, die Reise durch die 20 kreativ verwobenen Walzer von Brahms, d’Albert, Wolfgang Rihm und Ravel genießen zu können: „Die Miniaturen spiegeln alle Gefühlsregungen einer Tanzfläche. Vom zaghaften wackeligen ersten Walzer bis zum schon späten vielleicht letzten Tanz.“ Amüsant ist Costas Bemerkung zu den modernen Walzern Wolfgang Rihms, er habe sie „nach mehreren Biers“ komponiert. Das konnte man beim Hören durchaus nachvollziehen, denn Rihm hat dem Walzer seine Eleganz geraubt.
In „La Valse“ von Maurice Ravel (1875 – 1937) wechselt die Walzerseligkeit ins moderne Gewand des musikalischen Impressionismus mit seinen verschwimmenden Konturen und Klangflächen. Jost und Costa gelingt es, in sanft flirrenden Tongirlanden und Arpeggien eine Harfe zu imitieren. Unter Zunahme von verzerrten Rhythmen und dissonanten Harmonien endet die Walzercollage in einem Ausbruch von Gewalt und Chaos. Die Akkorde werden wie Klangfetzen aus dem Flügel geschleudert und mischen sich mit chromatischen Läufen, die in atemberaubender Geschwindigkeit wie Glissandi, zu Deutsch Gleitklänge, wirken. Das wilde Getöse ist gleichsam ein Abgesang auf die Epoche des „Fin de Siècle“, wo die Komponisten und Künstler gerne Tradition und Romantik verdrängen und alles niederreißen, ganz egal, was kommt.
Dem frenetischen Applaus der Zuhörerinnen und Zuhörer folgt als Zugabe der wunderbare ruhige Abschluss des Konzertabends mit dem langsamen Brahms-Walzer As-Dur, der nicht zuletzt durch die Verwendung auf Spieluhren weltberühmt geworden ist.