Besinnliches, Heiteres, und viel Musik: Unter dem Motto „Weltjahresbestzeit“ stimmte das Duo „2 Flügel“ das Publikum in der Zehntscheuer Nabern auf besondere Weise aufs nahende Weihnachtsfest ein. Die Veranstaltung erwies sich als Publikumsmagnet: „Bereits nach wenigen Tagen waren wir ausverkauft“, erzählte Ulrich von Fugler, der beim Bürgerverein Zehntscheuer für die Veranstaltungsplanung zuständig ist.
Wer glaubt, dass in der Zehntscheuer zwei mächtige Konzertflügel auf der weihnachtlich geschmückten Bühne gestanden hätten, der irrt. Im Duo „2 Flügel“ hat sich 2009 das in Essen wohnende Ehepaar Christina Brudereck und Ben Seipel zusammengetan, um sich Themen wie „Kopfkino“, „Leidenschaft Leben“ oder eben „Weltjahresbestzeit“ in ganz persönlicher Weise zu nähern. Gemeinsam wollen sie „ein dichtes und musikalisches Erlebnis für alle Sinne“ bieten. Dabei liegt der musikalische Part in Seipels Händen – für die Rezitation ist die Theologin und Schriftstellerin Christina Brudereck zuständig.
Ablenkung in einer schwierigen Zeit
Aber ist die Zeit vor Weihnachten wirklich die beste Zeit des Jahres? Obwohl sich die charmant und einfühlsam präsentierten Geschichten vornehmlich in der Komfortzone einer heilen Welt abspielten, schimmerten auch kritische Töne durch. Doch gerade in schwieriger Zeit braucht der Mensch Ablenkung. Da kamen die besinnlichen Geschichten über das Plätzchenbacken, über eine Krippe mit Maus und Elefanten oder die Erzählung vom Christkind in Sarajewo gerade recht. Doch „2 Flügel“ wollten nicht nur Erheiterndes und Nachdenkliches bieten: Die Texte waren eingebunden in eine gelungene Dramaturgie, in der sich Wort und Musik aufs Beste verbanden.
Wesentlichen Anteil daran hatte die virtuose Klaviertasten-Akrobatik von Ben Seipel. Doch er weiß nicht nur den Flügel zu bedienen: Auf der Suche nach neuen Sounds leisteten auch die Melodica und ein Kinderglockenspiel wertvolle Dienste, zudem die vielen elektronischen Helferlein, mit denen Seipel den Flügel zum imposanten Klang eines vollen Orchesters aufplusterte. Mithilfe der Loop-App auf seinem Tablet überlagerte er verschiedene Klangspuren, ließ sie in Endlosschleifen laufen, und schuf so immer dichter werdende Klangereignisse. Die Krone setzte Seipel den technischen Spielereien auf, als er eine Gesangsspur multiplizierte und akkordisch übereinanderschichtete, so dass man am Ende meinte, einen vielstimmigen A-cappella-Chor in den Ohren zu haben.
Doch eigentlich hat Seipel die technische Unterstützung gar nicht nötig, denn er ist ein veritabler Tastenmeister, der seine Kunst in immer neuen Facetten leuchten lässt. Wenn er – überlagert vom ins Englische transformierten Choraltext – eine Adaption von Johann Sebastian Bachs Kantate 147 anklingen lässt, das Weihnachtslied „Kommet ihr Hirten“ verjazzt in ein neues Klanggewand hüllt oder zwischendurch einen fetzigen Boogie-Woogie zum Besten gibt, spürt man: Ben Seipel ist ein fantasiebegabter Musiker, der nicht nur mit rasanten Ritten über die Tasten überzeugt, sondern stets auf der Suche ist nach neuen Klangwundern.
Diese Leidenschaft zeigte sich auch bei der Zugabe. In einer Art Schweinsgalopp ließ Seipel das ganze Programm nochmals Revue passieren, unterstützt von einem Parforceritt seiner Frau durch alle Texte des Abends. Das Publikum goutierte die mit einer Prise Humor gewürzte Einstimmung auf die Weihnachtszeit und überschüttete „2 Flügel“ mit Beifall.