Ein bisschen erinnert es an einen Friseursalon. Dunkle Ledersessel, kurze Gespräche, jemand schaut aufs Handy, vorne klingelt das Telefon. Doch hier wird nicht nachgeschnitten. Hier, im Kirchheimer Tattoo- und Piercingstudio 2020, geht es um Motive, Farbauswahl – und seit Kurzem auch um Ausbildungsfragen.
Als erstes Studio in der Region bietet 2020 Tattoo ab Herbst eine Ausbildung zur Verkäuferin oder zum Verkäufer an. Zwischen Pflegetipps, Farbkartuschen und Terminkalendern soll künftig jemand lernen, was Organisation in einer Branche bedeutet, die sich nicht online bestellen lässt.
Wir wollen diesem Beruf einen Rahmen geben, der mehr Leute anspricht.
Frank Stauß
„Viele denken: Tattoo? Da passt doch kein Ausbildungsberuf rein“, sagt Frank Stauß. Gemeinsam mit seiner Frau Rebecca führt er das Studio in Kirchheim. Dabei sei genau diese Rolle „vorn“ entscheidend, nicht nur für den Ablauf, sondern oft auch für die Stimmung. „Wenn du aufgeregt bist vor deinem ersten Tattoo, willst du nicht einfach eine Nummer ziehen.“
Mehr als Termine
Tatsächlich ist die Verkäuferposition hier mehr als Kassieren. Wer im Studio vorn steht, begleitet Kundinnen und Kunden von der ersten Idee bis zur Nachsorge, kennt Hygienevorgaben, Produktpaletten, plant Termine, macht Lager und Inventur, beantwortet Rückfragen, und hört manchmal Lebensgeschichten. „Das ist Teil des Jobs“, sagt Stauß.
Dass es kaum Fachkräfte für diese Arbeit gibt, wundert die beiden nicht. Verkaufsberufe gelten vielen als verstaubt und ein Tattoo-Studio nicht gerade als klassischer Ausbildungsort. „Dabei ist das doch gerade der Punkt“, sagt Stauß. „Wir wollen diesem Beruf einen Rahmen geben, der mehr Leute anspricht.“
Dass ihr Ausbildungsangebot gefragt ist, zeigt der Rücklauf: Auf die ausgeschriebene Stelle gingen direkt mehrere Bewerbungen ein, von Menschen, die sich gerade wegen des Umfelds angesprochen fühlten. Für das Studio ist die Ausbildung ein strategischer Schritt – gegen den Nachwuchsmangel, aber auch für ein Berufsbild, das mehr kann, als viele denken.
Zukunft zum Mitgestalten
Fachkräfte, die genau für ein Tattoo- und Piercingstudio ausgebildet sind, gibt es kaum. Die spezifischen Anforderungen – von Hygienevorgaben über Beratung bis hin zu Terminplanung und Studioorganisation – lernen viele erst im Alltag. Für Rebecca und Frank Stauß ein Grund, genau dort anzusetzen. „Es ist schwer, jemanden zu finden, der das alles schon mitbringt. Also haben wir uns entschieden, das selbst auszubilden“, sagt Frank.
Ziel ist eine langfristige Stelle – mit unbefristeter Übernahme und Aufstiegsmöglichkeiten. Denn Tätowieren lässt sich nicht digitalisieren: Beratung, Vertrauen und Begleitung bleiben auch in Zukunft persönlich. „Tattoos kann man nicht online bestellen“, sagt Frank. „Deshalb wird es diesen Beruf auch morgen noch geben.“ Von Warenwirtschaft über Social Media bis hin zur Studioorganisation sei vieles möglich, sagt das Team.
Die Ausbildung
Die Ausbildung dauert in der Regel zwei Jahre und wird durch die Industrie- und Handelskammer (IHK) geregelt. Vermittelt werden Inhalte in Bereichen wie Kundenberatung, Warenpräsentation, Lagerwirtschaft, Kassensysteme, Marketingmaßnahmen und kaufmännische Grundlagen. Ergänzt wird das durch Unterricht in der Berufsschule – etwa zu Themen wie Wirtschafts- und Sozialkunde oder Rechnungswesen.
Im Studio 2020 geht es dabei nicht um klassische Regalpflege, sondern um ein Umfeld, in dem Kundenservice, Organisationstalent und ein gutes Gespür für Menschen gefragt sind. Wer hier ausbildet, erwartet nicht nur Freundlichkeit an der Theke, sondern auch Interesse an Hygienevorgaben, Terminlogistik, Social-Media-Kommunikation und Begleitung durch den gesamten Studioaufenthalt. „Es ist ein klassischer Beruf, aber mit einem Twist“, sagt Frank Stauß. „Wir wollen zeigen, dass dieser Job eben mehr ist als nur verkaufen.“
Laut IHK sind Ausbildungsplätze im Verkauf nach wie vor gefragt, doch viele Branchen kämpfen mit Nachwuchsmangel. Angebote wie das des Studio 2020 könnten den Beruf in neue Kontexte bringen und damit auch Zielgruppen erreichen, die sich in klassischen Settings nicht wiederfinden.