Kirchheim
Autos sind am Abend unerwünscht

Flaniermeile Um die Dettinger Straße aufzuwerten, will die Stadt Kirchheim vom kommenden Jahr an eine „temporäre Fußgängerzone“ ausprobieren – tagsüber mit und nachts ohne Autos. Von Andreas Volz

Die Dettinger Straße in Kirchheim soll attraktiver werden: Als Flaniermeile könnte sie automatisch ihre Anziehungskraft erhöhen, wenn dort keine Autos mehr parken dürfen. Auch Gäste, die die Außenbewirtung genießen wollen, stören sich an Autos - ob letztere nun vorbeifahren oder auch nur parken. Abhilfe scheint leicht möglich: Die Stadt Kirchheim müsste nur die bestehende Fußgängerzone zwischen Alleen­straße und Walkstraße nach Süden ausweiten - bis mindestens zu Ziegel- und Stiegelstraße oder sogar gleich bis zur Limburgstraße. Sofort wären alle Autos weg, und die Aufenthaltsqualität würde sich deutlich verbessern.

Ganz so einfach ist es aber nicht: Sooft diese Lösung im Gespräch war, scheiterte sie am Veto der Händler, die um ihre Kundschaft fürchten. Auch andernorts ist das die Hauptargumentation gegen Fußgängerzonen: „Wenn die Leute nicht direkt vor meinem Laden parken können, bleiben sie ganz weg und kaufen woanders ein.“ Wer Fußgängerzonen einrichten will, steckt also in einem Dilemma: Ohne Autos wird die Straße auf jeden Fall attraktiver. Machen dann aber tatsächlich die Läden dicht, gibt es keinen Erlebniswert mehr, den die Fahrzeuge gefährden.

Im Fall der Dettinger Straße zeichnet sich jetzt aber ein Kompromiss ab, der alle Seiten zufriedenstellen könnte: Die Stadtverwaltung hat dem Ausschuss für Infrastruktur, Wirtschaft und Umwelt (IWU) vorgeschlagen, eine „temporäre Fußgängerzone“ einzurichten. Konkret sähe das so aus, dass es auf Höhe von Ziegel- und Stiegelstraße einen versenkbaren Poller gibt, der wochentags von 19 Uhr abends bis 5 Uhr morgens hochgefahren ist und die Durchfahrt versperrt. Tagsüber - von 5 bis 19 Uhr - bleibt der Poller im Boden und ermöglicht Lieferanten wie Kunden die freie Zufahrt zu Läden und Gaststätten.

Das Argument der Händler, dass ihnen die Kunden wegbrechen könnten, wird bei diesem Kompromiss ebenso berücksichtigt wie das Argument der Nachtschwärmer, dass es ohne Autos schöner ist. Trotzdem zeigten sich nicht alle Ausschussmitglieder einig mit dieser Lösung. Der Knackpunkt war der Samstag. Er ist als Ausnahme vorgesehen: Die Sperrung soll dann bereits um 17 Uhr beginnen und dafür gleich bis montags um 5 Uhr andauern.

Grüne und CIK machten sich nun aber für Fußgänger und Radfahrer stark, indem sie forderten, die Autos bereits von Freitagabend an bis Montagmorgen zu verbannen. Sogar die CDU wollte diesen Vorschlag mittragen. Massiver Widerstand gegen die verschärfte Samstags-Regelung kam von den Freien Wählern - unterstützt durch die SPD.

„Nicht übers Knie brechen“

Ulrich Kübler (Freie Wähler) warnte eindringlich davor, die Samstags-Sperrung „übers Knie zu brechen“. Er schlug stattdessen vor, die neue Regelung wie vorgesehen zwei Jahre lang im Probelauf zu testen, um dann immer noch über den Samstag diskutieren zu können: „Der Samstag ist nicht nur für Flaneure wichtig, sondern auch für den Handel.“

Sabine Lauterwasser (Grüne) hielt dagegen: „Wir müssen die Sperrung am Samstag erst einmal ausprobieren. Nur so können wir sehen, ob sie funktioniert.“

Heinrich Brinker (Linke) fragte nach, warum etwas in der Dettinger Straße nicht möglich sein soll, was man den Händlern in der unteren Max-Eyth-Straße vor einigen Jahren ohne große Debatte zugemutet hat: die dauerhafte Fußgängerzone. Für Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker lässt sich das jedoch nicht miteinander vergleichen: „In der Max-Eyth-Straße hat sich das während der Sanierung so ergeben. Ich glaube aber, dass es sich in der Dettinger Straße völlig anders verhält.“

Mit der knappen Mehrheit von zehn gegen neun Stimmen hat sich der Ausschuss schließlich doch für den „Autosamstag“ entschieden. Einstimmig votierten die Mitglieder danach sowohl für die temporäre Fußgängerzone als auch dafür, diese Praxis das ganze Jahr über zu erproben - und nicht nur im Sommer. Der Beginn der zweijährigen Testphase ist für 2020 vorgesehen. Beobachtet werden soll während des Probelaufs auch die Verkehrsentwicklung weiter südlich - zwischen Ziegel- und Limburgstraße.

Kommentar: Ohne Läden ist alles nichts