Wie hoch die Grundsteuer künftig für jeden Häusles- und Wohnungsbesitzer ausfallen wird: Das kann noch niemand sagen – auch wenn bereits der Grundsteuerwertbescheid ins Haus geflattert ist. Denn dafür müssen alle Messbescheide vom Finanzamt vorliegen. Der Einfluss der Gemeinde ist dabei streng geregelt. „Wir setzen die Reform um und können nur über den Hebesatz steuern“, sagt Bissingens Schultes Marcel Musolf
Was aber sicher ist: Die Hebesätze und Bodenrichtwerte, darauf weist sein Amtskollege Rainer Haußmann aus der Nachbargemeinde Dettingen hin, werden sich von bisherigen Daten deutlich unterscheiden. Schon diese Tatsache reichte, um seit Jahresbeginn die Emotionen unter Haus- und Wohnungsbesitzern hochkochen zu lassen. Dettingens Bürgermeister versteht die Aufregung nicht. „Seit über 30 Jahren weiß der Bund Bescheid, dass hier Handlungsbedarf besteht. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die Handhabung rechtswidrig ist“, erklärte er. Daraufhin musste alles schnell gehen, was einen „Riesenärger“ verursacht habe.
„Die Reform keine Überraschung“, ergänzt der Bissinger Schultes Marcel Musolf. Baden-Württemberg durfte wie alle Länder eine eigene Regelung festlegen. Die findet Rainer Haußmann zum Beispiel überaus praktisch: „Grundstück mal Richtwert ergibt Bodenwertmodell. Das ist das schlankeste Modell. Aber: Wir Kommunen haben daran gar nichts gemacht. Wir wollen nur eine seriöse und verlässliche Info für die Bürgerinnen und Bürger“, so der Schultes.
„Einsprüche sind sinnlos“
Einsprüche ans Finanzamt hält er für sinnlos, denn am Ende stehe der Messbetrag, der an die Gemeinde geht. „Wir Kommunen haben uns committet: 2025 wird der Messbetrag aufkommensneutral sein. Wir wollen unseren Bürgern nicht in die Taschen greifen“, versprach er schon vor Monaten im Gemeinderat und warf damals einen Dreisatz an die Wand.
Die einfache Formel: 3 x 4 = 12. 6 x H = 12. „Welche Zahl verbirgt sich hinter H?“, lautete seine Frage an den Gemeinderat – im Gremium war schnell klar war, dass H für Hebesatz steht und die Lösung zwei lautet. Schließlich soll das Ergebnis „aufkommensneutral“ sein.
Die Qualität oder Bauweise der Wohnungen und Häuser spielt hierzulande keine Rolle. „Wir schauen nur den Bodenrichtwert und die Größe an“, erklärt Musolf. Dann habe man gesagt: Durch die Reform soll das Wohnen nicht teurer werden. Daher werden Grundstücke mit Wohngebäuden 30 Prozent weniger als Gewerbeeinheiten besteuert.
„Wie bei jeder Reform gibt es Gewinner und Verlierer, das ist ja ganz klar“, sagt Marcel Musolf. Wer vor 50 Jahren ein großes Grundstück in guter Lage gekauft hat, wird sehr wahrscheinlich nach der Reform mehr belastet als vorher. De facto hat er in seinem Besitz auch einen Wertzuwachs erfahren in dieser Zeit. Marcel Musolf traut sich aufgrund der bisherigen Erkenntnisse eine Richtungsangabe für die Steuerhöhe zu: „Tendenziell lässt sich sagen, dass kleinere Wohngrundstücke kleiner als vier Ar gleich bleiben oder leicht sinken.“
Wer aber konkret wissen will, wie sich die Grundsteuer für sein Grundstück bemisst, braucht etwas Geduld – die freilich nicht jeder oder jede aufbringen kann, zumal immer wieder Horrorgeschichten über explodierende Steuersätze kursieren. Das lässt sich aktuell jedoch gar nicht seriös sagen. „Wir sagen es allen, die uns fragen, ganz deutlich: Momentan könnte ihr eure neue Grundsteuer nicht berechnen, weil ihr den Hebesatz der Gemeinde noch nicht kennt.“ Das treffe auf ihn, den Bürgermeister, ebenso zu wie auf alle anderen.
Wenig hilfreich ist es daher auch, den bisherigen Hebesatz mit dem Steuermessbetrag zu multiplizieren. Dazu der Bissinger Schultes: „Das kann man klar sagen: Der künftige Hebesatz wird mit Sicherheit niedriger ausfallen.“ In welchem Maße, das wisse man noch nicht, denn dafür müsste man erst alle Grundstücke mit den neuen Steuermesszahlen kennen.
Steuerlast Mitte 2024 bekannt
Auch ob es die neue Grundsteuerart C in Bissingen geben wird, weiß der Schultes noch nicht. Diese Möglichkeit hat der Gesetzgeber eingeführt für brachliegende Grundstücke mit Baurecht. Der höhere Hebesatz für diese Grundstücke soll es unattraktiv machen, die Flächen zu halten, ohne sie zu nutzen. Dieses Phänomen kennt man auch unter dem Stichwort Enkelgrundstück.
Wann das etwa sein wird? „Wir dürften in etwa in einem Jahr so weit sein, da reden wir von Mitte 2024“, sagt Musolf. Ab dann geht in der Kämmerei das Rechnen los. Dabei würden auch die Belastungen der Steuerzahler mit den Einkommen der Haushalte abgewogen. Die definitive neue Grundsteuer wird dann ab dem 1. Januar 2025 fällig. Und einen wichtigen Tipp hat Marcel Musolf jetzt schon: „Bitte nicht verrückt machen lassen.“
Für wen es teurer wird, wer weniger zahlt
„Das Gefüge wird sich verschieben – aber das ist ein politischer und gerichtlicher Grundsatz“, sagt Rainer Haußmann. Eine Eigentumswohnung wird günstiger, ein großes Grundstück in Toplage teurer. Für Unternehmer, die große Grundstücke haben, könne der neue Satz ein Vielfaches sein. ih