Volle Freibäder und Chlorwasser - das ist nicht jedermanns Sache. So manchen zieht es da eher raus in die Natur. Gelegenheit zum Schwimmen in natürlichen Gewässern gibt es im Landkreis Esslingen gleich drei Mal: Dort locken die Kirchheimer Bürgerseen, der Bissinger See und der Aileswasensee in Neckartailfingen. So idyllisch sie auch sein mögen - ganz ungetrübt sind die Badefreuden dort auch nicht: In den vergangenen Wochen sind immer wieder erhöhte Keimzahlen gemessen worden.
„Bedenkenlos baden kann man in den drei Seen - rein aus epidemologischen Gründen - nicht“, sagt Dr. Alfred Wiedenmann vom Gesundheitsamt in Esslingen. Und das, obwohl sie allesamt seit Jahren das Prädikat „ausgezeichnet“ erhalten. Dabei geht es nämlich um den langfristigen Grundzustand, den die Seen gemäß den Vorgaben der EU-Badegewässerrichtlinie haben. Er beruht auf Wasserproben, die alle vier Wochen entnommen und europaweit verglichen werden. „Das schützt aber keineswegs vor kurzzeitigen, akuten Verschlechterungen“, so Wiedenmann.
Sie kommen oft nur zutage, weil die Badeseen im Landkreis Esslingen engmaschiger überwacht werden als gesetzlich gefordert. „In Absprache mit den Gemeinden entnehmen wir alle 14 Tage Wasserproben“, sagt Dr. Alfred Wiedenmann. Sind die Werte schlecht, wird wenige Tage später wieder überprüft.
Wie zum Beispiel Ende Juli. Bei der Probe, die das Gesundheitsamt am 30. Juli entnommen hatte, war die Zahl der Fäkalkeime im Bissinger See und im unteren See an den Bürgerseen in Kirchheim nach oben geschnellt. Die Konzentration der gemessenen Bakterien war zum Teil 30 Mal so hoch wie noch zwei Wochen zuvor. „Mangelhaft“ und „kontrollbedürftig“ lautete die Diagnose. Drei Tage später gab es dann aber schon wieder Entwarnung: Die Keimzahlen waren zwar noch nicht wieder auf dem ursprünglichen, ausgezeichneten Stand angelangt, aber immerhin kräftig gesunken. Wäre das nicht der Fall gewesen, hätte das Gesundheitsamt der Stadt empfohlen, ein befristetes Badeverbot zu erteilen, bis die Wasserqualität wieder besser ist. Das war auch Mitte Juni nicht nötig gewesen. Auch da hatte sich ein bedenklicher Wert am Bürgersee wenige Tage darauf schon wieder normalisiert.
„Dass die Keimkonzentration plötzlich ansteigt, kann verschiedene Ursachen haben“, weiß Dr. Alfred Wiedenmann. In der Regel sind einer solchen „Keimexplosion“ starke Niederschläge vorausgegangen. „Dann werden Ausscheidungen von Weidetieren oder Wasservögeln ins Badewasser geschwemmt.“ In Bissingen etwa schlängelt sich die Gießnau erst durch Viehweiden, bevor sie in den See fließt. Am Bürgersee in Kirchheim nutzen Nilgänse und Enten Steg und Badeinsel gerne als Rastplatz und lassen dort ihre Ausscheidungen zurück. So schnell wie die Verunreinigungen gekommen sind, gehen sie auch wieder. Ein funktionierendes Wasser-Ökosystem reinigt sich von ganz alleine.
Also lieber ganz auf die Badefreuden in der Natur verzichten? „Das ist eine Frage der Risikoakzeptanz“, stellt Dr. Alfred Wiedenmann klar. Denn selbst wer badet, wenn sich besonders viele Keime im See tummeln, bekommt nicht unbedingt einen Magen-Darm-Infekt - auch wenn das Risiko dann drei Mal so hoch ist wie sonst. „Zu 90 Prozent passiert auch bei hohen Belastungen der Gewässer nichts“, so Wiedenmann (siehe Info).
Sein Tipp: „Es ist sinnvoll, nach starken Regenfällen ein paar Tage lang aufs Baden in Naturgewässern zu verzichten.“ Wer trotzdem im See schwimmen gehen möchte, sollte darauf achten, möglichst nicht mit dem Kopf unter Wasser zu tauchen und kein Wasser zu schlucken. „Wie überall gilt auch hier: Die Dosis macht das Gift“, sagt Dr. Alfred Wiedenmann.