Barbie sieht stets adrett aus, lebt mit Ken in der perfekten heilen rosa Glitzerwelt von Barbieland und kümmert sich um den perfekten Vorgarten. So wurde Barbie 1959 in den USA lanciert und trat rasch ihren Siegeszug um die Welt an. Was ist dran an dieser langbeinigen blonden Schönheit, deren Körper so perfekt ist, dass die Organe keinen Platz fänden, hätte sie denn welche? Für die einen ist sie ein westlich geprägtes Schönheitssymbol der Popkultur, Influencerin Nummer eins. Was sie trägt, wollen alle haben: Friseure färben Haare blond, Fastfoodketten springen auf den pinken Hype auf und in den USA werden inzwischen vermehrt rosa Särge angeboten. In Social Media gibt es ein rosarotes Dauerfeuer.
Dieser Trend wurde befeuert durch den Film von Regisseurin Greta Gerwig, Margot Robbie spielt die Hauptrolle und ist Pilotin, Präsidentin, Krankenschwester, Astronautin – hochaktuell divers und flexibel, wenn sie mit und ohne Ken durch die Lüfte schwebt. Im Traumpalast Nürtingen gerät Kinoleiter Jan Reis ins Schwärmen über leergekaufte Popcornstände und Eistruhen, ausverkaufte Snacks und Softdrinks. „Wir werden überrannt. So etwas gab es zuletzt beim James Bond „Keine Zeit zu sterben“. Beide Säle sind mit mehr als 200 Personen pro Vorstellung nonstop nahezu ausverkauft“, erklärt der Fachmann.
Er selbst sei noch nicht dazu gekommen sich den Film anzusehen, aber den Erfolg erklärte er sich durch viel Glitzer, das in eine heile Traumwelt
James-Bond-Film „Keine Zeit zum Sterben“
entführe, fernab von allen Sorgen des Alltags. Manche brächten Barbies mit in die Vorstellung und seien in schrillem Rosa gekleidet. Dass der Film eine Message habe, glaubt er nicht. Er soll unterhalten, was er wohl könne und für Mattel, die Barbie-Hersteller, die Werbetrommel rühren. Der Kassenschlager werde sicherlich die Herstellungskosten von 130 Millionen Dollar um ein Vielfaches einspielen. Barbie und Ken freut‘s, Mattel und alle Kinobetreiber auch.
„Aufgrund der Streiks in Amerika rechnet die Kino- und Filmbranche mit Verzögerungen neuer Filme, da kommt der Barbie-Hype gerade recht“, merkt Jan Reis an. Barbie kann alles, schlüpft in viele Berufe, ist enorm variabel und bietet dadurch eine große Identifikationsfläche mit gleichzeitig perfekten Körpermaßen. Sie bedient viele Klischee einer erfolgreichen Frau, die sorglos und gutaussehend durchs Leben geht. Im Film lässt sie die Männer alt aussehen und setzt sich erfolgreich gegen sie durch. – Also doch ein feministisches Vorbild?
So einfach sei es nicht, denn für ihre Kritiker steht Barbie für Essstörungen und falsche Körperwahrnehmung bei jungen Mädchen und vermittelt seit Jahren ein unrealistisches Körperbild. Ihre Gegner würden sie lieber heute als morgen aus den Spielzimmern der Nation verbannen.
In den vergangenen Jahren hat Mattel die Produktpalette ausgeweitet. Barbie heiratete, war in der Oper, in Ausstellungen, im Freibad, sowohl dunkelhäutig als auch im Rollstuhl, schwanger und als Meerjungfrau. – Natürlich immer mit dem passenden Equipment ausgestattet. Annette Schad von Spielwaren Schad in Kirchheim erklärt, dass Mattel mit kreativem Erfindungsreichtum die Barbiewelt kommerzialisiert hätte. „Bei der Schwangeren hört man auf Knopfdruck den Herzschlag der werdenden Mutter oder kann mit einem anderen Modellen Karaoke singen“. Inzwischen gibt es nicht nur Haus und Pferd, sondern Hänger, Fahrzeuge und ganze Wohnbereiche, die Barbies Welt ergänzen, in der sie residiert. Äußerlich habe man das Gesicht in all den Jahren in Richtung Meerjungfrau Arielle angeglichen. Nachahmerprodukte sind billigere Alternativen, aber liefen alle recht gut. Sie seien im Verhältnis fast 50 Prozent günstiger als eine Mattel, berichtet sie. Barbie sei schon immer recht gut gelaufen und bis jetzt habe es keine gestiegene Nachfrage wegen des Films gegeben, erklärt Annette Schad.
Beim Kollegen Heiges ist es ähnlich. Verkaufsberaterin Petra Gudowius berichtet von „Normalität“. Meistens kauften die Großeltern die Barbiesachen bei ihnen. In den letzten Jahren zeichnete sich immer mehr ein sensibler Umgang im Konsumverhalten mit Barbie ab, so dass sie nicht unüberlegt den Geldbeutel zückten. Auf jeden Fall sei es ein reines Mädchenspielzeug, Annette Schad erinnerte sich nicht daran, es jemals für einen Jungen verkauft zu haben.
Beim Modefachgeschäft Bantlin wurde Rosa im letzten Monat so um die zehn Mal nachgefragt, erklärt Geschäftsinhaber Karl Bantlin. Aber Rosa sei sowieso im Sortiment gut vertreten dieses Jahr.
Erinnerungen rund um Barbie
Barbie lebt im Pistolenkoffer
Mit Puppen hatte ich nie viel am Hut. Ich spielte lieber mit den Matchbox-Autos von meinem drei Jahre älteren Bruder. Als die Puppenzeit schon fast vorbei war, kam Barbie auf den Markt. Es gab die billige Ausgabe und eine hochwertigere. Meine qualitätsbewussten Eltern schenkten mir die hochwertigere. Tatsächlich ist sie noch heute wunderschön und hat keine Abnutzungsspuren.
Mein Vater war ein Sportschütze und hatte ein Pistolen-Köfferchen übrig. Er kam auf die Idee, dieses Köfferchen zum Barbie-Schrank umzugestalten. Er tapezierte den Innenraum des Köfferchens, fügte eine Kleiderstange ein und bastelte aus Streichholzschachteln kleine Schubladen, die er behutsam mit Folie bezog. Als Griff befestigte er Perlen, an denen ich ziehen konnte. Ein Spiegel für Barbie komplettierte das Ganze.
Wenn ich nun zur Freundin zum Spielen ging, konnte ich das ganze Barbie-Zubehör im Koffer sicher transportieren. Angekommen, wurde der Koffer senkrecht aufgestellt und tatataaa: Barbie hatte einen eigenen Schrank. Heute könnte man es vielleicht sogar als „Ankleide“ bezeichnen.
Dieses besondere Stück hat mein Vater Anfang der 1970er Jahre gebastelt. Mittlerweile hat ihn das Köfferle überlebt und ist für mich eine wertvolle Erinnerung. Meine Barbie war übrigens keineswegs stark rosa geprägt, wie der Inhalt des Koffers zeigt. Bei dieser einen Barbie blieb es bis heute. Patricia Jeanette Moser
Das Barbie-Pferd hat es in sich
Ich hatte ein paar Barbies und habe wohl auch ab und zu damit gespielt, aber mein Lieblingsspielzeug waren sie bei weitem nicht. Ganz anders jedoch mein Barbie-Pferd für mich als Pferdenärrin! Das stand exponiert oben auf meinem Spielzeugregal wie ein Pokal. Die Beine waren beweglich, pro Bein drei Gelenke, was es seinerzeit so wohl bei keinem anderen Spielzeug gab. Ein wenig frustrierend fand ich aber schnell, dass ich nur zwei Hände hatte und die vier Beine einfach nicht synchron der Pferdegangarten bewegen konnte.
Als meine Eltern ein weiteres technisches Novum kauften, eine Videokamera, versuchte ich, einen Stop-Motion-Film mit dem Pferd zu drehen, das ich im Trab und Galopp zu bewegen versuchte. Das scheiterte jedoch an nicht vorhandener Schnitt-Technik, denn die Kamera ließ sich nur sehr ungenau starten und stoppen, und Einzelbildaufnahmen waren nicht möglich. Mit unserer alten Super-Acht-Kamera mit ihren Filmspulen, die man zum Entwickeln ins Fotogeschäft bringen musste, hätte ich meinen Barbie-Pferde-Film problemlos hinbekommen. Aber das war ja wohl „Technik von gestern“, ging ja mal gar nicht.
So stand mein Barbie-Pferd also schnell wieder im Regal und wurde trotzdem immer noch heiß und innig geliebt. Immerhin konnte ich ja noch das zauberhafte Langhaar kämmen und bürsten. Stephanie Reusch
Barbie kommt direkt aus Kanada
Meine erste Barbie hat mir meine Großmutter vom Besuch bei ihrem Sohn in Kanada Ende der 60-ziger Jahre mitgebracht. Gespannt öffnete ich das Geschenk und erwartete etwas ganz Besonders aus dem mir fremden Land zu erhalten. Tatsächlich: Aus dem Päckchen kam eine Puppe heraus mit langen schlanken Beinen zum Abknicken, dichten Wimpern, Wespentaille und großem Busen. Mutter und Vater fanden das überhaupt nicht kindgerecht. Für mich war sie aber die schönste Puppe der Welt. So ganz anders als mein weiches Schlummerle.
Ich bekam noch weitere drei geschenkt, darunter Francie und Ken sowie den rosaroten Barbiekoffer. Natürlich nicht von meinen Eltern, sondern direkt aus Kanada. Meine Mutter hat trotz aller Skepsis den Barbiekoffer die vergangenen 50 Jahre auf dem Dachboden aufbewahrt.
Aus ihm quollen mir nun Dutzende Kleidungsstücke entgegen, darunter nicht nur die teuren Originalteile sowie ein Katalog von 1971, sondern auch Selbstgemachte. Das war preiswerter. Eine Bekannte meines Onkels hatte sie für mich gehäkelt. Und ich hatte versucht, es ihr gleich zu tun. Da lagen vor mir in Stäbchen und festen Maschen gehäkelt ein Minirock, ein langer mit Volant, ein ärmelloses Shirt und eine Mütze. Auch darin konnten sich meine Barbies sehen lassen. Meine erste aber trägt immer noch das Kleid, mit dem sie mir meine Großmutter geschenkt hatte. Marion Brucker
Mit Rollstuhl und Hörgeräten
Stundenlang saßen meine beste Freundin und ich auf dem Kinderzimmerboden und bauten unser Barbieland: Barbieschlösser, selbst gebastelte Wohnhäuser aus Tüchern und Decken, ein riesiger Vorrat an Barbieschuhen und -kleidern. Zusammen hatten wir über 15 Barbies, ein paar Kens, eine Meerjungfrau und eine Midge samt Baby. Ich kann mich noch genau erinnern, wie sehr ich es geliebt habe: diese wunderhübschen Gesichter, die edlen Ballkleider und die hohen Stöckelschuhe…
Als wir aus dem Alter raus waren, habe ich mich lange Zeit gar nicht mehr mit Barbie beschäftigt oder daran zurückgedacht, bis … der Barbie-Film in die Kinos kam! Da ist meine alte Begeisterung für die schlanke Kunststoffpuppe wieder aufgebrodelt, und die pinke Barbiewelt hat mich wieder mitgerissen! So weit, dass ich mir sogar wieder eine Barbie gekauft habe. Aber nicht irgendeine, nein. Ich bin inzwischen erwachsen, gelernte Hörakustikmeisterin und was würde sich da besser eignen als … eine Barbie mit Hörgeräten! Mattel hat inzwischen die Fashionistareihe herausgebracht und kommt damit der realen Welt etwas näher: Denn nun hat man die Wahl zwischen Barbies im Rollstuhl, Barbies mit Brille, Barbies mit unterschiedlichen Haut- und Haarfarben, Barbies mit Prothesen, Barbies mit realistischen Proportionen und eben auch Barbies mit Hörgeräten.
Übrigens: Der neue Barbiefilm vermittelt eine tolle und wichtige Message und ist nicht nur was für Barbies, sondern ebenso für Kens. Luka Prachensky
Jetzt auch noch ein Film! Wer hätte das in den 70er Jahren gedacht, dass die ultradünne, großbusige Wasserstoff-Blondine nicht genauso schnell wieder vom Markt verschwindet, wie sie aufgetaucht ist? Passend zum modernen Frauen-Bild jener Post-68-Zeit hatte meine Mutter ihren Töchtern das Spielen mit Barbie rigoros untersagt. Bloß nicht so werden wie die! Aufgetakelt bis zum Geht-nicht-mehr und reduziert auf Frisuren und Outfits.
Tatsächlich war damit der Keim zu einer lebenslangen Abneigung gegen die eckige, harten Geschöpfe gelegt. Zudem konnte man sie doch gar nicht so gut knuddeln wie die seinerzeit ebenfalls überaus beliebten Babypuppen „Schlummerle“.
Und wirklich: Barbie fehlte in meinem Leben nicht. Eine Generation später nahm ich mit großer Überraschung wahr, dass die staksige Puppe immer noch präsent war. – Zugegeben etwas modernisiert und aufgemotzt, aber immer noch in Begleitung vom eher dümmlich dreinblickenden Ken. Gott sei Dank verschonte mich die Tatsache, Söhne zu haben, weiter vor jedem Kontakt mit Barbie. Angesagter waren Ritterburgen von Playmobil. Was für ein Glück!
Und doch drang die Blondine erst neulich wieder jäh in mein Gedächtnis. Ein Leben ohne sie gibt es eben doch nicht. Mein Sohn, mittlerweile Student, verkündete, mit seiner Freundin ins Kino zu gehen. – In Barbie! Irene Strifler