Kirchheim
Bastionskonzert: „Glaubt einfach nicht, dass es regnet“

Musik Besucherrekord im Regen: Beim Doppelkonzert von Sally Grayson und Henrik Freischlader mit seiner Band reißt der Sound die rund 400 Zuschauer beim Bastions-Open-Air mit. Von Anja Schulenburg

Toll, dass ihr trotz des Wetters gekommen seid. Und wenn irgendjemand jetzt sagt, dass es regnet, dann glaubt’s ihm einfach ned“, begrüßt Bernhard Neubauer von der Bastion ungefähr 80 hartgesottene Musikliebhaber, die geduldig in Regencapes vor der Open-Air-Bühne sitzen und gespannt auf die erste Künstlerin des Abends warten. „Der Eintritt ist heute frei, die Box ned so stabil, also haltet euch beim Spenden mit dem schweren Münzgeld zurück. Und jetzt viel Spaß.“

Während die Anwesenden gut gelaunt klatschen, nimmt Sally Grayson mit einem Looper und ihrer E-Gitarre die Bühne ein. Die Wahl-Stuttgarterin, die bereits 2016 das Fanta-Vier-Team bei The Voice of Germany begeisterte, brennt in den folgenden 60 Minuten ein Feuerwerk mit Songs aus ihrem neuen Album „The Darkness In Me“ ab.

 

Da woisch, wo dr Bartl dr Moschd holt.
Ein Zuschauer
über die Virtuosität des Blues-Gitarristen Henrik Freischlader

 

Die fehlende Band, die den Bildern von Songs wie Called To Love oder Melt Into Your Arms noch mehr Kraft verliehen hätte, ersetzt Grayson durch ihre leidenschaftliche Performance, unterstützt durch Hall- und Crunch-Effekte an der Gitarre. „Musik ist meine Katharsis, da müsst ihr jetzt durch“, lacht die sympathische Sängerin aus Michigan und animiert das Publikum zum Mitjaulen. Mit ihrem einzigartigen, kehligen Timbre jagt sie durch musikalische Tiefen und Höhen in „Life Heist“ und zeigt die menschlichen Abgründe im Song „Dig“ auf.

„Wenn wir wirklich was verändern wollen, müssen wir bei uns beginnen“, erklärt Sally Grayson unter bejahenden Zurufen aus dem Publikum, bevor sie sich mit der Zugabe „Lovecats“ von „The Cure“ verabschiedet.

Nach einem kurzen Umbau betreten Henrik Freischlader und Band unter Beifallsrufen aus dem Publikum die Bühne. „Wir fangen mal ganz locker mit einem Instrumentalstück von Buddy Miles an“, grinst Freischlader und macht seinem Ruf als bester deutscher Blues-Gitarrist gleich zu Beginn alle Ehre. Die mittlerweile knapp 400 Zuschauer sind begeistert: „Da woisch, wo dr Bartl dr Moschd holt“, nickt ein Gast anerkennend.

Emotional und virtuos

Kaum zu glauben, dass diese Darbietung erst der Anfang einer hoch emotionalen und virtuosen Reise begnadeter Musiker ist. Mit „Free“ spielt der charismatische Freischlader den ersten Song seines neuen Albums „Recorded by Martin Meinschäfer II“, das kürzlich beim hauseigenen Label „Cabel Car Records“ erschienen ist. Mittlerweile hat es aufgehört zu regnen. Schließt man die Augen, spürt man den rockigen Drang nach Freiheit, gefolgt von den wütenden Gitarrensounds der „Disappointed Woman“. Freischladers langjähriger Freund und Bandkollege Moritz „Mr. Mo“ Fuhrhop greift dazu auf seiner Hammond-Orgel in die Tasten und wird ebenfalls euphorisch beklatscht.

Die vier Musiker beeindrucken von Anfang an mit ihrem präzisen Zusammenspiel, das mal an eine Jam-Session erinnert, um dann wieder in voller Präsenz die Bastions-Bühne erbeben zu lassen.

Für den guten Ton des Abends sorgt Achim Bosch, der auch während der Soli von Schlagzeuger Hardy Fischötter und Bassist Armin Alic alle Hände voll zu tun hat. Die Künstler spielen sich fast dialogartig gegenseitig Musikbälle zu, klingen mal rockig in „The Bridge“ und ändern das Timing und die Stilrichtung wieder, um in „Longer Days“ mit rockig-bluesigem Sound zu enden.

Freischlader ergänzt sein virtuoses Gitarrenspiel durch witzige Anmoderationen und beeindruckt mit wechselnden Stimmfarben: Mal klingt das Multitalent sanft und funky wie Bill Withers, mal rockig wie Joe Cocker, um dann, während der Zugabe „The Blues Is Allright“ in ein B.-B.-King-ähnliches, rauchiges Timbre zu verfallen und das Publikum schließlich mit den Worten: „Uns hats unglaublich Spaß gemacht“ in den Abend-Blues zu entlassen.