Während Simon Schmidt gleichmäßig auf Rollerskiern über den Feldweg am Fuße der Pfulb gleitet, ertönt seine Stimme aus dem Lautsprecher am Hüftgurt. „Hopp, links, hopp - langsamer werden“. Die Anweisungen gelten Johanna Recktenwald, die ebenfalls auf Roller- skiern im gleichen Rhythmus direkt hinter ihm fährt. Die sehbehinderte Athletin gehört zum Biathlon-Team Saarland sowie dem bundesdeutschen Paraski-Kader. An diesem Vormittag ist sie mit Nachwuchstrainer Michael Huhn vom Nordic Paraski-Team des Deutschen Behindertensportverbands und zehn weiteren Sportlerinnen und Sportlern nach Lenningen gekommen.
Das ist ein Verdienst von Gabi Kazmeier aus Oberlenningen. Die Lehrerin für Sonderpädagogik hat viel dafür getan, dass diese Gruppe an der Pfulb zusammengekommen ist. Mit Partnern hatte sie im Januar die seit einem Jahr stillgelegte Skiliftstation samt Hütte übernommen, um dort ein Bewegungszentrum zu etablieren. Die Idee dazu ist ihr schon vor 20 Jahren gekommen, während eines Aufenthaltes in den USA. Am „National Sportscentre for disabled“ lernte sie, was Inklusion im Sport bedeutet, obwohl der Begriff damals noch nicht existierte: Dass es ganz viele Möglichkeiten gibt, behinderte und nicht behinderte Sportler gemeinsam trainieren zu lassen. Seit zwölf Jahren hat Gabi Kazmeier noch einen wichtigeren Grund, diesen Lebenstraum zu verwirklichen. Ihre Tochter Linn ist genauso sportbegeistert wie sie und seit frühester Kindheit stark sehbehindert mit einer Sehkraft von vier Prozent. „Sie ist ehrgeizig und hat ein Ziel: Die Paralympischen Winterspiele in Peking 2022“, sagt die stolze Mutter. In der nahe gelegenen Skizunft Römerstein hat ihre Tochter mittlerweile einen festen Platz zum Trainieren.
Mit der Skistation an der Pfulb - die Vorbesitzer haben sich aus Altersgründen zurückgezogen - hat Gabi Kazmeier nun die Möglichkeit gefunden, noch mehr zu tun, nämlich in ihrer Heimat die Idee eines „Bewegungszentrums“ für behinderte und nichtbehinderte Sportler umzusetzen, mit den Schwerpunkten Fahrrad- und Skisport.
Für Gabi Kazmeier hat der Besuch des Nationaltrainers daher eine richtungsweisende Bedeutung, um die Pfulb als Trainingsort zu etablieren. An diesem Tag wird nicht nur auf der Straße mit Rollskiern oder im Rollstuhl trainiert. Zum Programm gehört auch ein Biathlon-Schießtraining mit ganz besonderen Gewehren: Diese sind mit akustischen Signalen gekoppelt und übermitteln dem Sportler per Kopfhörer, wie stark er das Ziel mit der Waffe fokussiert hat.
Trainer Michael Huhn ist zufrieden. Für ihn sind die vier Tage an der Pfulb auch eine Möglichkeit, neue Talente zu sichten, zwei Neulinge sind dabei. „Es ist schwierig, Nachwuchs zu finden“, sagt der ehemalige Leistungs-Skilangläufer. Das liege zum einen an der regionalen Begrenztheit des Skisports. „In Norddeutschland braucht man gar nicht erst zu schauen“, glaubt er. Zum anderen gebe es durch die Inklusion immer weniger Sonderschulen und damit konkrete Anlaufstellen. An den allgemeinbildenden Schulen werden aus Datenschutzgründen keine Auskünfte erteilt, welche Kinder Behinderungen haben.
So ist Michael Huhn auf Netzwerke angewiesen und auf Menschen wie Gabi Kazmeier. Neben ambitionierten Nachwuchssportlern, die im Hauptstützpunkt Freiburg-Kirchzarten gefördert werden, geht es auch darum, neue Sponsoren zu finden. Die speziellen Sportgeräte sind teuer, allein ein speziell angefertigter Rollstuhl auf Skiern kostet rund 4 500 Euro. Ein Hand-Bike, das Gabi Kazmeier in ihrem Bewegungszentrum anbieten will, kostet rund 5 000 Euro. Aktuell hat sie zehn Tandems, auf dem sehbehinderte Sportler mit einem Helfer trainieren können.
Diese Wintersaison hofft Gabi Kazmeier auf viel Schnee und damit viel Betrieb am wieder eröffneten Skilift Pfulb. Mit den Einnahmen soll es dann im nächsten Jahr weitergehen. „Als Nächstes müssen wir die Hütte barrierefrei machen“, sagt sie. Schließlich soll es ein Treffpunkt für alle werden. Ihr Bewegungszentrum soll so weiter Gestalt annehmen.
Wer mit Gabi Kazmeier in Kontakt treten will, schickt eine E-Mail an: bewegungszentrumpfulb@web.de