Stromkunden sollen künftig bei der Energiewende mithelfen: Wer dem Netzbetreiber die sogenannte „netzorientierte“ Steuerung seines Hausstroms ermöglicht, könnte künftig Ermäßigungen beim Strompreis erhalten. Den Eingriff von außen sieht unter anderem der Paragraf 14 a des Energiegesetzes vor, der derzeit beim Bundestag in der Konsultation ist. Dr. Alexander Probst, Leiter Netzführung Strom und Gas bei der Netze BW in Esslingen, findet die Idee grundsätzlich gut, um bei hohen Verbrauchszahlen reagieren zu können.
„Mit dem neuen Paragrafen 14 a können wir zukünftig jede Wärmepumpe und jede Wallbox direkt ans Netz lassen. Das Netz muss trotzdem ausgebaut werden, aber bis dahin dürfen wir für eine Übergangszeit steuernd eingreifen“, sagt er.
Dabei geht es vor allem um die Sicherheit der Stromversorgung. „Wenn in seltenen Fällen gleichzeitig viel Strom gebraucht wird, können wir zukünftig den Verbrauch reduzieren, damit keine Sicherung auslöst“, erklärt Probst.
Kundinnen und Kunden müssen aber nicht befürchten, dass der Netzbetreiber ihnen buchstäblich den Stecker für ihr Elektroauto zieht. Er würde in aller Regel ohne spürbare Auswirkungen für die Nutzer eingreifen, zum Beispiel beim nächtlichen Aufladen der Batterie vom E-Auto oder der Wärmepumpe. Dabei würde die Anschlussleistung nicht komplett auf null, sondern nur zu einem gewissen Prozentsatz abgesenkt. „Wenn Sie für ein paar Stunden den Strom herunterfahren, merkt das nach unseren bisherigen Erfahrungen niemand. Hauptsache, am nächsten Morgen ist das Auto geladen“, sagt er. Das habe man bereits bei Pilotprojekten ausprobiert, wie zum Beispiel im E-Mobility-Carré in Tamm bei Ludwigsburg: „Die Testpersonen haben sich nicht eingeschränkt gefühlt. Und das Herabsenken der Leistung hilft dem Netzbetreiber enorm.“ Käme das Gesetz durch, wäre dies ein Schub für die Energiewende, meint er.
Auch der Klimawandel bringt Herausforderungen
Die Energiewende ist aber nicht die einzige Herausforderung für Stromnetzbetreiber: Eine andere ist der Klimawandel und seine Folgen, zum Beispiel trockene und kranke Wälder. Die Folge ist, dass bei Stürmen immer häufiger Bäume umstürzen und Leitungen beschädigen. „Deswegen planen wir, möglichst viele Freileitungen unter die Erde zu bekommen“, erklärt Netze-BW-Pressesprecher Jörg Busse.
„Ein längerfristiger Stromausfall ist aber unwahrscheinlich“, sagt Alexander Probst. Dass es in der Region nicht dazu kommt, liege an zwei Punkten: Redundanz, das heißt, dass auf höheren Spannungsebenen möglichst immer zwei Leitungen zu den Endkunden gelegt werden. Und zweitens sei es der Vorteil eines großen Unternehmens wie der Netze BW, dass es große Lagerbestände an Kabeln und Trafos gebe, lange Wartezeiten also entfallen, wenn dringend Material benötigt wird. „Außerdem haben wir an über 90 Standorten im Land mehr als 1000 Monteure“, sagt er.
Die sind auch nötig. Beim schweren Sturm in der Nacht vom 11. auf den 12. Juli habe man mitten in der Nacht mehr als 100 Leute aktiviert: „Die hatten eigentlich Freizeit.“ Teilweise wurden sie aus anderen Teilen Baden-Württembergs geholt, um dort zu helfen, wo es akut war. „Wetterbedingte Ausfälle werden häufiger vorkommen“, ist sich Probst sicher.
Den abgeschalteten Atomkraftwerken trauert er nicht hinterher. „Da gibt es kein Zurück mehr.“ Dass der Anteil regenerativer Energien steigt, liegt auch an der Zunahme der Solaranlagen und Balkonkraftwerke. Erst Ende Mai gab es in der Region einen neuen Einspeiserekord, der dazu führte, dass in Baden-Württemberg zwei Gigawatt mehr erzeugt als verbraucht wurden. „Das entspricht zwei großen Kraftwerksblöcken und ist eine tolle Leistung“, sagt Alexander Probst. Nur weiß auch er: All das ist nicht möglich, wenn die Sonne nicht scheint.
Die große Herausforderung liegt darin, Zeiten ohne Wind- und Sonnenenergie zu überbrücken. Ideen gibt es dafür: Aus überschüssigem Strom Wasserstoff herstellen und speichern oder das bestehende Gasnetz für Wasserstofftransport nutzen, was prinzipiell möglich ist. Dazu müssten einige Dinge angepasst werden, etwa die Zähler: „Wasserstoff hat einen anderen Brennwert“, sagt Alexander Probst. Außerdem seien die Wasserstoffmoleküle kleiner als Methanmoleküle, dafür müssen die Leitungen dichter gemacht werden. „Neu gebaute Gasnetze werden bereits so ausgeführt, dass sie Wasserstoff transportieren können“, sagt er.
Grundsätzlich sei der Trend positiv: Die Stromverteilnetzbetreiber merken, dass die Netzanschlussanfragen für Solarmodule deutlich ansteigen. „Wenn wir es schaffen, kostengünstig in Deutschland auf regenerative Energie umzusteigen, kann das eine Blaupause für andere Länder werden und die Energiewende auch dort ermöglichen.“