Vor 20 Jahren war Claudia Jung in ihrem Wohnort Tübingen selbst noch Mitglied einer Baugemeinschaft. „Damals waren wir noch Pioniere auf dem Gebiet. Hier in der Region war das nämlich Neuland“, erinnert sie sich. Bis heute lebt sie mit ihrer Familie in dem gemeinschaftlich gebauten Haus, in dem auch ihr Büro untergebracht ist. Wohnen und Arbeiten unter einem Dach ist bei Baugemeinschaften eine klassische Kombination. „Bei uns in Tübingen haben wir im Gebäude neben verschiedenen Büros sogar eine Hausarztpraxis“, erzählt Claudia Jung. So würden auch immer mehr Kommunen wie jetzt beispielsweise Kirchheim mit dem geplanten Steingau-Areal in Sachen Bauen in Baugemeinschaften nachziehen.
Im Kirchheimer Quartier betreut die Tübingerin als Projektsteuerin zwei Baugemeinschaften bei der Umsetzung ihrer Ideen. „Eine Gruppe nennt sich ‚Werk- Stadt‘ und baut im Baufeld zwei ein Gebäude mit acht Wohnungen, einer kleinen Gewerbeeinheit in Form einer Hausverwaltung und einer quartiersoffenen Werkstatt.“ Die Bauherrengruppen sind bunt gemischt. Von der jungen Familie über etwas ältere Paare und Alleinstehende - alles ist dabei. Während bei den einen die Verkleinerung des Wohnraums vom Haus auf eine Wohnung das Thema ist, ist es bei anderen der Umzug vom Land in die Stadt. „Oder es handelt sich um barrierefreie Alterswohnsitze, die von den Eigentümern zunächst noch vermietet werden“, nennt Jung als häufige Gründe für die Beteiligung an einer Baugemeinschaft.
Bei der „WerkStadt“-Gruppe, die sich weitgehend schon im Vorfeld zusammengefunden hatte, stieg die Architektin mit ein, als es eine Grundstücksoption gab. Einer der positiven Synergieeffekte dieser Hausgemeinschaft sei es, dass der Gewerbetreibende und die Werkstatt kooperieren und teure Nebenräume gemeinsam genutzt werden.“
Die andere Gruppe, die Jung als Projektleiterin im Baufeld vier betreut, nennt sich „Impuls“. Auch diese ist vom Alter her gemischt. Hier entstehen elf Wohnungen unterschiedlicher Größe und eine Gewerbeeinheit für eine Kirchheimer Hausverwaltungsfirma, die in ihren Büroräumen den Bewohnern zusätzlich Homeoffice-Plätze anbietet. „Der Fokus liegt ganz klar auf dem kostengünstigen Bauen - gerade für junge Familien ist das essenziell.“ Ein Problem im Steingau-Areal seien daher die sehr teuren Tiefgaragenstellplätze mit Kosten in Höhe von knapp 40 000 Euro. „Das ist für die Finanzierung von mietgebundenen Sozialwohnungen eine hohe Bürde“, betont Jung.
Zeitmanagement ist gefragt
Die Aufgaben eines Projektsteuerers sind vielseitig. Das fängt schon damit an, sich intensiv mit der Baugruppe auseinander zu setzen: Was sind das für einzelne Charaktere, und wie finden sie zu einem gemeinschaftlichen Umgang miteinander? Sind Kompromissbereitschaft und Teamgeist vorhanden? Aber das lerne man mit der Zeit einzuschätzen, sagt Jung, die die Arbeit mit unterschiedlichen Menschen und Projekten sehr spannend findet. Gerade den sozialen Aspekt bei Projekten wie dem Steingau-Areal, das „die komplette Gesellschaft abbilden will“, findet die Planerin sehr wichtig.
Zur fachlichen und beratenden Begleitung des gesamten Projekts gehören Themen wie die Klärung des finanziellen Rahmens, die Sammlung, Gewichtung und Umsetzung von Ideen und vor allem ein gutes Zeitmanagement. „Bei mir laufen die Fäden zusammen. Teils sind das auch zu viele Ideen auf einmal, da muss man dann schon mal bremsen und fokussieren.“ Die Wünsche der Bauherren bündelt die Projektplanerin anschließend für die Architekten, damit diese planen und die Ausführung auf den Weg bringen können. Die Kosten der Projekte im Blick zu behalten, sei eine weitere umfassende Aufgabe, erklärt Jung. Für die Projektbuchhaltung und Zahlungsabwicklung habe sie deshalb einen Kollegen mit im Boot, der sie im Planungsteam unterstützt.