Immobilien sind - nach ihrer sprachlichen Definition - der unbewegliche Teil des Besitzes. Aber unverrückbar ist dieser Besitz trotz allem nicht: Gerade in Corona-Zeiten können selbst stabile finanzielle Lagen schnell in Bewegung geraten. Ob Mietobjekt oder Eigenheim - in beiden Fällen gilt: Brechen wichtige Teile des Einkommens weg, lassen sich die Bedingungen von Miet- oder Darlehensverträgen nicht mehr wie gewohnt erfüllen.
Große Unternehmen haben es in dieser Situation vorgemacht und angekündigt, ihren Pachtzins vorerst nicht mehr zahlen zu wollen. Das ist rein rechtlich zwar durchaus möglich, aber nur in dem engen Rahmen, den unter anderem das „Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie“ vorgibt.
Die Kirchheimer Rechtsanwältin Christiane Bahlcke befasst sich nicht nur als Erste Vorsitzende der Familien-Bildungsstätte mit solchen Themen, sondern auch als Betreuerin für Menschen, die sich rechtlich nicht selbständig vertreten können. Zum Thema Mietstundungen sagt sie: „Jeder weiß, das kann man machen. Aber ganz so einfach ist es nicht. Man kann nicht einfach dem Vermieter schreiben, ich zahle jetzt die nächsten drei Monate nicht.“
Vielmehr gehe es darum, sich mit dem Vermieter auf Lösungen zu einigen, die für beide Seiten tragbar sind. Analog gilt das auch für Darlehensverträge mit Banken. Wer Zins und Tilgung vorübergehend nicht mehr in voller Höhe zahlen kann, muss im Gespräch Kompromisse zu finden versuchen - und das Ergebnis dann auch gemeinsam mit dem Gesprächspartner schriftlich festhalten.
Das Grundproblem der Stundungen scheint nicht immer jedem klar zu sein, obwohl Christiane Bahlcke es recht einfach auf den Punkt bringt: „Auch Stundungen müssen zurückgezahlt werden.“ Diese Rückzahlung ist zwar bis 2022 möglich. „Aber klar ist auch: Man sammelt Schulden an.“ Mag es also vorübergehend als praktisch erscheinen, die Zahlungen komplett einzustellen, wird das Problem langfristig umso größer. Deswegen empfehle es sich, zumindest einen Teil der Verbindlichkeiten auch weiterhin zu zahlen. Das reduziert von vornherein die Summe, die dann nach dem Ende der Krise zurückzuzahlen ist.
Die Gesetzeslage macht einiges einfacher als außerhalb der Krise: „Als Nachweis der Zahlungsschwierigkeiten reicht im Normalfall schon der Beleg, dass man sich in Kurzarbeit befindet.“ An anderer Stelle geht es schwammiger zu - wenn Einschränkungen „zumutbar“ sein müssen oder wenn das verbleibende Einkommen noch eine „angemessene“ Lebensführung ermöglichen soll. „Was ist angemessen, was ist zumutbar?“ Christiane Bahlcke beantwortet ihre Frage gleich selbst: „Da gibt es keine Definition. Bei mittleren Einkommen kann man darüber diskutieren. Bei niedrigeren Einkommen ist man aber recht schnell an der Grenze dessen, was angemessen und zumutbar ist.“
Wichtig ist eben: Die Höhe der reduzierten Mietzahlungen muss für beide Seiten zumutbar sein - also für Mieter und Vermieter gleichermaßen. Auch eine Bank ist nicht verpflichtet, jede Art von Zahlungskürzung hinzunehmen: „Für Banken gilt nur eine Soll-Vorschrift. Das ist kein Muss, aber immerhin mehr als ein Kann.“ Eine spannende Frage bleibt für Christiane Bahlcke die nach möglichen Verzugszinsen: „Da wird es noch viel gerichtlichen Streit geben. Aber Sinn des Gesetzes ist es ja, Menschen zu entlasten. Denen hintenrum weitere Zinsen aufzubürden, wäre ein Widerspruch.“
Am Anfang steht der Kassensturz
Ein ganz anderes Problem - unabhängig von Miete oder Eigentum - sind die Nebenkosten, die im Frühjahr abgerechnet werden. Für Abschlags- oder Nachzahlungen gilt dasselbe wie für Mieten oder Darlehen: Die Zahlungen können vorerst reduziert und gestundet werden. Aber irgendwann sind sie fällig: „Wer also alles auf Null setzt, dem fällt es dann hinterher auf die Füße.“ Als erste Handlung empfiehlt Christiane Bahlcke den Kassensturz: „Dadurch lassen sich wichtige Fragen klären. Was habe ich? Wie lange halte ich durch? Was lässt sich wie zahlen, und was lässt sich wie stunden?“
Wer im Gespräch mit Vermieter oder Bank nicht weiterkommt und deswegen Hilfe vom Anwalt braucht, sollte allerdings zuvor die Klauseln der Rechtsschutzversicherung genau durchlesen. Auch da lauern Fallstricke, sagt Christiane Bahlcke: „Häufig sind Immobilienstreitigkeiten aus der Leistung ausgeschlossen.“