Gesundheit
Beratungsangebot für Menschen mit Essstörungen

Im Diakonischen Beratungszentrum Esslingen können Erkrankte Hilfe in Anspruch nehmen.

Keine Macht der Waage: Die Zahl, die in dem kleinen Fensterchen erscheint, kann schnell zur Obsession werden. Foto: Symbolbild

Die aktuellen Zahlen zeigen: Essstörungen sind ein wachsendes Problem in der Gesellschaft.

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, unterstützt das Diakonische Beratungszentrum in Esslingen (DBZ) Betroffene durch fachkundige und kostenfreie Beratung. „Aufklärung ist in diesem Bereich dringend notwendig“, betont Leiter Uwe Stickel. Natürlich sei dieses Thema auch immer mit Scham besetzt. Dennoch sei es wichtig, ein öffentliches Bewusstsein für das Problem zu schaffen und Menschen auf das Hilfsangebot aufmerksam zu machen.

Die Anfälligkeit für Essstörungen ist insbesondere bei jungen Menschen besonders hoch. Einer aktuellen Studie des Robert-Koch Instituts zufolge weisen in Deutschland mittlerweile jedes dritte Mädchen und beinahe jeder achte Junge im Alter zwischen 14 und 17 Jahren Symptome einer Essstörung auf. Insbesondere die Anorexia Nervosa (oder: Magersucht), eine Krankheit, bei der die Betroffenen versuchen, durch drastische Unterernährung Gewichtsverlust hervorzurufen, beginnt häufig besonders früh: Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt zwischen 12 und 14 Jahren. Ebenfalls verbreitet sind die Bulimia Nervosa (kurz: Bulimie) sowie die sogenannte Binge-Eating Störung. Bei beiden Essstörungen haben Erkrankte mit wiederkehrenden Heißhungeranfällen zu kämpfen. Anders als bei der Binge Eating Störung werden diese Fressattacken bei Bulimie-Erkrankten jedoch durch selbst herbeigeführtes Erbrechen oder exzessiven Sport ausgeglichen. 

Verschiedene Faktoren, wie etwa Ausgrenzung durch Gleichaltrige, Unsicherheit oder Orientierungslosigkeit können einen Krankheitsausbruch begünstigen. Auch Veränderungen, familiäre Probleme und Stress zählen zu den typischen Auslösern. Für viele junge Menschen sei eine Diät und die damit einhergehende Macht, den eigenen Körper zu formen, ein Weg, um sich ein gewisses Maß an Kontrolle zurückzuerobern, erklärt Micaela Neumann, systemische Beraterin bei der Anlaufstelle. „Essstörungen haben immer auch eine Funktion."

Beratungsmethoden   

   Kern des Hilfsangebots sind gemeinsame Beratungsgespräche, die in der Regel persönlich, auf Wunsch jedoch auch rein online oder per E-Mail stattfinden können. Eine medizinische Diagnose wird dafür nicht vorausgesetzt. „Es ist aktuell sehr schwer, einen Therapieplatz zu bekommen“, meint Micaela Neumann. Für einige der Betroffenen ist die Beratung daher eine Möglichkeit, die lange Wartezeit zu überbrücken. Andere nehmen während der Beratung begleitend weitere Hilfsangebote in Anspruch. 

 „Unsere Beratung grenzt sich von einer Psychotherapie ab“, stellt Neumann klar. Der größte Teil seien Impulse, Anregungen und Fragen, denn hinter gestörtem Essverhalten stecke immer ein Bedürfnis. Das Essen sei lediglich ein Symptom. „Wir wollen tiefer schauen und den Zusammenhang zwischen dem Essverhalten und den eigenen Gefühlen verstehen“, erklärt die Beraterin.

Das Angebot richtet sich jedoch nicht ausschließlich an erkrankte Menschen, sondern auch an deren Angehörige. So findet einmal im Monat ein Elternkreis statt, der Müttern und Vätern betroffener Kinder Wege aufzeigt, um diese schwierige Situation bestmöglich zu navigieren.

„Es ist keine Ernährungsberatung im herkömmlichen Sinne, meint Micaela Neumann. Essens- oder Sportpläne gibt es bei ihnen nicht. Diese Art der Beratung kann theoretisch zwar unterstützend in Anspruch genommen werden, im Wesentlichen geht es hier aber nicht um das Essen selbst, sondern um den psychosozialen Aspekt: „Unser wesentliches Ziel ist es, den Leidensdruck der Betroffenen zu verringern“, so Neumann. „Wir wollen sie auf dem Weg zu einem gesunden Essverhalten begleiten und ihnen helfen, wieder einen guten Bezug zu Essen aufzubauen.“

Zahlen des DBZ aus dem vergangenen Jahr

Rund 80 Klientinnen und Klienten nahmen das Hilfsangebot in Anspruch. Es wurden insgesamt 422 Beratungen verzeichnet. Mehr als 90 Prozent der Hilfesuchenden waren weiblich.

46,6 Prozent der Betroffenen litten an einer Anorexie; 22,4 Prozent wendeten sich mit einer Bulimie an das DBZ. Von der Binge Eating Störung waren rund 13,8 Prozent betroffen. 17,2 Prozent zeigten Symptome von beginnenden und/oder atypischen Essstörungen. 

Das Alter der Erkrankten reichte von Kleinkindern bis hin zu Menschen im Alter von über 50 Jahren. Bei den meisten Klienten handelte es sich jedoch um junge Menschen: Die deutliche Mehrheit der Hilfesuchenden (73,3 Prozent) war zwischen 12 und 29 Jahre alt. 

Betroffene und deren Angehörige können die Beratungsstelle telefonisch unter  oder per E-Mail über dbz.es@kdv-es.de erreichen.