Man hört die ersten Takte, und sofort ist das Gefühl der Freiheit und jugendlicher Unbeschwertheit wieder da. Es braucht nur einen der vielen unvergessenen Rock-Klassiker aus der einfallsreichsten Phase der Siebziger oder frühen Achtziger – und schon ploppt die „beste Zeit ever“ wieder auf. Doch Hand aufs Herz – haben wir die Texte vor und hinter dem Refrain jemals ganz verstanden? Wohl eher nicht. Zum Glück gibt es ja das musikalische Fortbildungsprogramm „Poems on the Rocks“ aus Stuttgart, bestehend aus Schauspieler und Sprecher Joachim „Jo“ Jung, Sänger Jörg Krauss, Edgar Müller-Lechermann am Keyboard, Gitarrist Christoph Berner, Helmut Kipp an den Drums sowie Andy Kemmer am Bass. Ein halbes Dutzend, bei dem es ausdrücklich erwünscht ist, dass ein augenscheinlich autoritärer „Kursleiter“ mit seinen eloquenten Offenbarungen ganz bewusst jeden ihrer Songs crasht. Kann das gut gehen? Fetzig-dynamische Stücke gleich mehrmals mit deutschen Texten sprechend oder singend zu unterbrechen? Konzentriert und doch mit einer gewissen Coolness, phrasiert Jo Jung mittels kraftvoll-sonorer Stimme seine bisweilen lyrischen Übersetzungen, mäandert dabei von leise-sanft zu laut-garstig und umgekehrt.
Ausgesucht werden Stücke mit Format, bereichernd, aber selten einfach. Ängste, Probleme, Sterben – Geschichten vom „kleinen Mann“, bei denen es nicht zuletzt um „Mut, Aufrichtigkeit, Sehnsucht, Frieden und Liebe“ geht. Kurzum: „Es dreht sich aber auch darum, wie wir Menschen uns gegenseitig und unsere Erde behandeln“, lautet Jo Jungs Intention, von ihm und von Manager Gerald Lemke stammen die Texte. „Hey! Hey, hey, da muss es doch einen Weg nach draußen geben. Die sind ja alle so daneben, die saufen meinen Wein, kapiert doch, um was es wirklich geht“, pure Verzweiflung, die durch die Bastion hallt. Dann, durchdringende Töne von Christoph Berner. Der Mann mit der Melone in Linksaußenposition, der quasi als schweigender „Koloratursopran“ die Saiten seiner E-Gitarre mindestens doppelt so hoch wie das berühmte hohe „C“ nach oben peitscht.
Uiuiui, will man das wirklich hören? Man(n) will und Frau ebenso. Ist es doch Bob Dylans Musikstück „All Along the Watchtower“ von 1967, dass Jimi Hendrix neun Monate später um sein psychedelisches Gitarrenspiel veredelte und so zum Mega-Hit machte – in der Bastion übernahm das Christoph Berner. „Jim Morrison und Jimi Hendrix sind mit 27 beide abgehimmelt“, erzählt Jo Jung vor dem Doors-Titel „Riders on the Storm“ und ergänzt: „So sanft der Song anfängt, so düster ist der Text.“ Man erfährt in seiner Lyrik, dass sich „Killer auf dem Asphalt rumschleichen“ und der „Glaube, in Frieden alt zu werden“ nicht eintritt, macht vielmehr deutlich: „auch in Angst wird oft gestorben.“ Ob Joe Cockers „N’oubliez Jamais“, Steve Millers „Fly like an eagle“, Rollings Stones „Gimme Shelter“ oder die spannenden Stücke wie „Locomotive Breath“ von Jethro Tull, David Bowies „Heroes“ sowie „Kashmir“ von Led Zeppelin, jeder Song war eine Offenbarung und eine Bereicherung.