Kirchheim
Bewusstsein durch künstlerische Form

Kunstweg Der Bildhauer Karl-Heinz Türk hat den Prießnitz-Brunnen am Rambouillet-Platz geschaffen.

Kirchheim. Wachsender urbaner Raum schafft auch neue Potenziale für Kunst. Im Zuge der in den 1960er-Jahren durchgeführten Stadtteilerweiterung im Süden Kirchheims konnte der Nürtinger Bildhauer Karl-Heinz Türk bleibende Spuren hinterlassen. Den renommierten Künstler beauftragte die Stadt Kirchheim mit der Gestaltung des Prießnitz-Brunnens am Rambouillet-Platz.

Vielzahl an Projekten

Vincenz Prießnitz, im Jahr 1799 im schlesischen Freiwaldau geboren, gilt als Erneuerer der Kaltwasserkur. Als Hommage an den seinerzeit berühmten „Wasserdoktor“ schuf Türk, ebenfalls gebürtiger Schlesier, eine kaskadenartige Anordnung von Muschelkalkbecken. Prießnitz’ therapeutische Wasserschüttungen erfahren so ihre künstlerische Reflexion.

Der Ende der 1960er-Jahre entstandene Brunnen reiht sich in eine Vielzahl von Projekten ein, die Türk auf öffentlichen Plätzen und als Kunst am Bau realisiert hat. Nicht nur diverse Schulen und Verwaltungsgebäude in unserer Region, auch das Fernmeldeamt Mannheim oder die Liebfrauenkirche in Duisburg hat er künstlerisch geprägt. Bezeichnend für Türks Haltung ist, dass er die eigene Handschrift in den Hintergrund stellen konnte, wenn es das Konzept erforderte. So auch im Fall des Kirchheimer Prießnitz-Brunnens, der einem geometrischen Minimalismus huldigt.

Stadtgeschichtliche Bezüge

Weitaus näher an der Formensprache zentraler Türkscher Werkgruppen ist die „Stadtstele“ beim Kirchheimer Schloss. Hier ist der Personalstil des Gründers der Nürtinger Kunstakademie deutlich zu erkennen. In Türks archaischen Eisengüssen oder den aus Diabas gefertigten Meditationsstelen erfährt er seine deutlichste Ausprägung. Die aus Beton gegossene Stele aus dem Jahr 1978 erinnert an die Erhebung Kirchheims zur Stadt durch die Herzöge von Teck.

Ästhetisch ähnlich gehaltene Betongüsse schaffen weitere stadtgeschichtliche Bezüge. Am Postplatz, auf dem Milcherberg oder am Gaiserplatz schlagen die quaderförmigen Skulpturen Brücken in die römische und keltische Vergangenheit Kirchheims. Reliefs zeigen charakteristische Fundstücke: Fibeln, Münzen oder Waffen. Der Stein am Ludwig-Uhland-Gymnasium ist den Bandkeramikern gewidmet, die dort bereits vor 6000 Jahren siedelten. Es war die fruchtbare Lössterrasse südlich der Lauter, die diesen ersten Landwirten als Lebensgrund diente. Derselbe Boden fällt heute den Notwendigkeiten urbanen Wachstums zum Opfer.

Karl-Heinz Türk, der auch schriftstellerisch produktiv war, war sich einer solchen Dialektik bewusst. Der Mensch, so schrieb er, sei „nicht ein Zuschauer des eigenen Werdegangs, sondern dessen Mitgestalter“. Durch künstlerische Form dem menschlichen Bewusstsein Entwicklung zu ermöglichen, war ein Kernanliegen Türks. Seinen Werken ist weiterhin Wirksamkeit zu wünschen. Forian Stegmaier