Kirchheim
Bierpreis hängt an ukrainischem Draht

Wirtschaft Der Krieg und die Energiekrise haben auch Auswirkungen auf die Brauereien, alle Zutaten werden teurer. Die Kirchheimer „Braurevolution“ setzt dagegen verstärkt auf Gastronomie. Von Thomas Zapp

Am heutigen Samstag feiert Deutschland den Tag des Bieres. Das Datum ist nicht willkürlich gewählt sondern hat einen historischen Hintergrund: Am 23. April 1516 wurde das deutsche Reinheitsgebot proklamiert. Bis heute ist es ein Gütesiegel für Gerstensaft aus deutscher Produktion. Unbeschwerte Feierstimmung kommt bei den Bierbrauern momentan aber nicht so richtig auf. Denn die im Reinheitsgebot enthaltenen Zutaten Hopfen und Gerstenmalz sind teilweise noch stärker als andere Lebensmittel im Preis gestiegen. Das hat verschiedene, teils sogar kuriose Gründe.

Bis zu 50 Prozent sei der Malzpreis in die Höhe gegangen, sagt Marc Schmidt vom Craftbeer-Hersteller „Braurevolution“ in Kirchheim. Für den Hopfen erwartet er eine entsprechende Erhöhung im kommenden Jahr. Grund: „Die Hopfendrähte kommen aus der Ukraine“, sagt er. Diese haben eine bestimmte Eigenschaft: Sie korrodieren mit der Zeit und fallen ab, wenn der Hopfen geerntet wird. 

 

„Flaschen liegen teilweise bei 25 Cent netto, vorher haben sie 15 bis 17 Cent gekostet.
Marc Schmidt
 

Anschließend werden die Dolden abgetrennt und die unbrauchbaren Pflanzenreste mit den brüchig gewordenen Drähten in Häckselmaschinen zerkleinert und als Dünger verwendet. Das geht nicht, wenn der Draht noch stabil ist.

Ein weiteres Problem, das nichts mit den Zutaten zu tun hat, stellt gerade für kleinere Brauereien das Thema Flaschen dar. „Die meisten Glashütten haben zugemacht“, sagt Marc Schmidt. In der Ukraine gebe es viele, aber die haben zum Großteil wegen des Kriegs geschlossen oder sind zerstört. Die Flaschen, die es auf dem Markt gibt, sind derweil ebenfalls exorbitant im Preis gestiegen. „Sie liegen teilweise bei 25 Cent netto, vorher haben sie 15 bis 17 Cent gekostet“, sagt der „Braurevolutionär“. Teurer sind ebenfalls geworden: Etiketten und Leim. Im Prinzip ist also alles von Preissteigerungen betroffen, was die Bierproduktion ausmacht.

Gegensteuern können Marc Schmidt und sein Partner Felix Ungerer aufgrund der geringen Größe ihres Unternehmens nicht. Die Lager mit Flaschen auffüllen ist finanziell nicht möglich. Wie in China könne er es auch nicht machen. „Dort wird Bier in Plastiktüten verkauft und die Leute hängen es sich zu Hause an den Haken“, sagt er lachend. Diese Option komme im Bierland Deutschland natürlich nicht in Frage. Den Humor haben die beiden nicht verloren, aber klar ist auch:  „Wir müssen uns etwas einfallen lassen.“ Denn die gestiegenen Produktionspreise können sie nicht an die Kunden weitergeben. Der Biermarkt in Deutschland ist extrem preissensibel, das Angebot an Alternativen riesig. 

Für die Jungbrauer ist derzeit das Leergut umso wichtiger, auch Biergläser werden knapp. On top kommen dann noch die Lieferkosten. Statt 300 Euro kosten sechs Paletten jetzt 600 oder sogar 700 Euro – die Speditionen geben die hohen Kraftstoffpreise an ihre Kunden weiter.

Aber die beiden zeigen sich kämpferisch: Heute wird der Tag des Biers gefeiert, da kommt auch Kirchheims Oberbürgermeister Dr. Pascal Bader zum Fassanstich. Auch der Biergarten mit 200 Plätzen wird dieses Jahr umso intensiver bespielt. Im wahrsten Sinne des Wortes: Insgesamt 25 Live-Konzerte sind für dieses Jahr geplant.

Und was den Draht betrifft: Den spannt Marc Schmidt dieses Jahr selbst im brauereieigenen Hopfengarten. „Das wird natürlich nur in kleiner Stückzahl möglich sein und kommt in unseren Grünhopfensud.“ Kreative Ideen sind bei den Brauern gerade mehr denn je gefragt.