Kirchheim
„Bildung ist das beste Sozialprogramm“

Neujahrsgespräch Der FDP-Bundestagsabgeordneten Renata Alt bereitet das Schweigen im Irankonflikt Sorgen.

Kirchheim. „Das Jahr 2020 ist schon in der ersten Woche turbulent. Ich bin regelrecht geschockt über die Stille seitens der Regierung und von der Kanzlerin“, sagt die FDP-Bundestagsabgeordnete Renata Alt beim Neujahrsgespräch. Der Irankonflikt macht der Außenpolitikerin Sorgen. „Die internationale Krise müssen wir so schnell wie möglich in den Griff bekommen, auch um Deutschland vor Angriffen zu schützen“, sagt sie. Unerlässlich seien dabei Gespräche. Sie vermisst dabei die deutsche Vermittlerrolle, die über Jahrzehnte bei internationalen Konflikten gepflegt wurde. „Es braucht dringend eine Krisendiplomatie. Hans-Dietrich Genscher wäre als Außenminister schon längst in alle Richtungen hin- und hergeflogen“, erinnert sie an den FDP-Granden.

Ihre Partei hat schon im November eine fraktionsübergreifende Initiative gestartet, die Hisbollah in Deutschland als Terrororganisation einzustufen. „Der Iran will eine Weltmacht werden was den Islamismus angeht. Ihm geht es um die Schiieten und um Macht. Das Land ist auch in Zentralafrika aktiv“, erklärt Renata Alt. Eine klare Position dazu vermisst sie von Deutschland und der EU.

Zwei strategische Fehler haben ihrer Ansicht nach die USA begangen. „Es hat mit der Beseitigung Saddam Husseins begonnen. Seitdem haben die Schiiten im Irak an Einfluss gewonnen. Der zweite Fehler war die einseitige Kündigung des Atomabkommens von den USA“, so die Abgeordnete. Dadurch sei eine ganze Region destabilisiert worden. War in der Vergangenheit ein ähnliches Vakuum entstanden, sei die EU in die Vermittlerrolle geschlüpft. „Jetzt machen Russland, China und in jüngster Zeit auch die Türkei internationale Politik“, so Renata Alt.

Versäumnisse aufzuzeigen, darin sieht sie auch die Aufgabe einer Oppositionspartei. Der gebürtigen Slowakin liegen Osteuropa und die Befriedung der Ukraine am Herzen. Sie fand heraus, dass im Minsker Abkommen die Fristen fehlen bei der Umsetzung der Forderungen wie etwa dem Abzug der Kämpfer in der Ost-Ukraine oder freie Wahlen. Zwei wichtige Reisen stehen in den nächsten Wochen mit Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP, an. Die erste führt in die Ukraine und dann weiter nach Russ- land, die zweite nach Polen. „Die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarländern ist uns wichtig“, sagt die Diplomatin.

Aus ihrer Sicht droht in Europa eine neue Spaltung zwischen Ost und West. „Da muss man dagegenhalten und viel miteinander sprechen. Uns verbindet vieles - auch historisch“, so Alt. Die Ost-Erweiterung ab 2030 sei unerlässlich. „Diese Länder sind der Innenhof Europas. Wir dürfen sie nicht in die Arme von Russland, China und der Türkei treiben. Noch haben sie sich nicht von uns abgewendet, und deshalb müssen wir harte und ernste Verhandlungen führen“, will sie die Länder in die EU integrieren.

Schon ist sie beim nächsten Thema angelangt: die kriselnde Wirtschaft. 13 000 Arbeitsplätze seien in Baden-Württemberg bedroht. Auch im Wahlkreis läuten die Alarmglocken, immer mehr Firmen melden Kurzarbeit an. Viele Vorschriften und Gesetze hält Renata Alt für eine Zwangsjacke, vor allem für die mittelständischen Unternehmen. Als Beispiel nennt sie die Bon-Pflicht. In vielen Bereichen ist Deutschland beim rasanten Technologiewandel abgehängt, etwa bei der Digitalisierung. China betreibe die Politik der technischen Offenheit, setze nicht alles auf Elektroautos. „Made in Germany - das wird immer noch bewundert. Dahin müssen wir wieder zurück. Wenn wir Spitzenprodukte anbieten sind auch die Arbeitsplätze gesichert“, erklärt sie. Technologien der Zukunft zu fördern sei unerlässlich. Dabei vertraut sie voll und ganz den Ingenieuren und Wissenschaftlern. „Bildung ist das beste Sozialprogramm“, sagt Renata Alt. Sie wünscht sich eine Politik mit langfristigen Zielen, die über den Tellerrand hinausblickt. „Wir müssen endlich zukunftsorientiert in allen Bereichen sein. Deutschland muss sich bewegen“, sieht Renata Alt das Ende der Komfortzone gekommen. Iris Häfner