Jimmy hört auf: Diese Nachricht hat Ende Juli aufhorchen lassen. Schließlich ist Landespolitik rund um Kirchheim ohne den CDU-Abgeordneten Karl Zimmermann nahezu unvorstellbar. Im Hintergrundgespräch über seine Ruhestandspläne relativiert er die Nachricht entsprechend: „Ich habe nur gesagt, dass ich zur Landtagswahl 2021 nicht mehr antrete. Ich habe nicht gesagt, dass ich schon vorher aufhöre. Bis zur Wahl sind es noch gute anderthalb Jahre - und bis dahin habe ich noch einiges vor.“
Zum Beispiel möchte er erreichen, dass die rund dreieinhalbtausend Mitarbeiter des baden-württembergischen Strafvollzugsdiensts mit der Polizei gleichgestellt werden, was ihre Krankenversicherung betrifft: „Ich hoffe, dass das ab Januar 2020 umgesetzt wird.“ Seit seinem Einzug in den Stuttgarter Landtag 2001 ist Karl Zimmermann - den alle nur „Jimmy“ nennen - Strafvollzugsbeauftragter der CDU-Fraktion. Als solcher fühlt er sich eben fürs Personal genauso verantwortlich wie für die Insassen. „Einige Gefangene sitzen schon länger im Gefängnis als ich im Landtag“, sagt er und fügt hinzu, warum er einen so regen Kontakt zu vielen Gefangenen hat: „Die dürfen mir schreiben, ohne dass ihre Briefe an mich kontrolliert werden.“
Die Bodenhaftung, das Gespräch mit allen Bürgern, sein Ohr für deren Nöte - diese Volksnähe ist es, worüber sich der Politiker Karl Zimmermann selbst definiert: „Zu mir kommen alle, weil ich durch mein großes Netzwerk viele weitervermitteln kann - Arbeitslose, die eine Arbeitsstelle suchen, Eltern, die einen Ausbildungsplatz für ihr Kind brauchen, aber auch Menschen, denen die Strafverfolgung droht.“
Einmal geriet Jimmy selbst beinahe in die Fänge der Justiz: weil eine Mutter, die wegen Kindesentzugs untergetaucht war, mehrfach seinen Rat gesucht hatte. „Immer wenn sie sich bei mir gemeldet hat, habe ich gesagt, dass ich gar nicht wissen will, wo sie sich aufhält. Als man sie dann im Allgäu gefasst hat, wollte sie bei mir anrufen. Ich war zufällig gerade - wie so oft - am Forggensee, und da wurden wegen der Nähe falsche Zusammenhänge konstruiert.“
Das Betrachten von Einzelfällen und -schicksalen gehört ebenfalls von Anfang an zu Karl Zimmermanns parlamentarischer Arbeit: Seit 2001 ist er Mitglied im Petitionsausschuss. Mehr als tausend Petitionen erreichen den Ausschuss jedes Jahr. Der CDU-Abgeordnete betont: „Da ist man immer an der Sache orientiert, aber nie an irgendeiner Parteilinie.“
Die Welt dreht sich nicht anders
Einen Seitenhieb auf den aktuellen Koalitionspartner kann er sich aber doch nicht verkneifen: „Wenn mir vor 20 Jahren einer gesagt hätte, ich soll applaudieren, wenn ein Grüner redet, hätte ich gesagt, da dreht sich vorher die Welt andersrum.“ Längst hat er sich auch daran gewöhnt - obwohl die Sonne immer noch im Osten auf- und im Westen untergeht.
Ohnehin lobt er seine beiden Kirchheimer Kollegen Andreas Schwarz (Grüne) und Andreas Kenner (SPD): „Beide sind vernünftig denkende Menschen, mit denen man sich gut unterhalten kann.“ Und dann kommt doch wieder ein typisches Jimmy-Statement zur Koalition: „Momentan sind wir mit den Grünen in einem guten Fahrwasser unterwegs - auch wenn ich nicht genau weiß, wer steuert und wer rudert.“
Manche Dinge müssen eben auch offen bleiben. Klar ist dagegen, was Baden-Württemberg dem Abgeordneten Karl Zimmermann nach vier Legislaturperioden zu verdanken haben wird: die Geothermie, weniger Mikroplastik auf den Ackerflächen, das begleitete Fahren ab 17, den Erhalt der Realschulen, die Musikakademie in Plochingen, vielleicht auch das Technikum Laubholz in Lenningen - und auf jeden Fall die fehlenden Windräder auf der Schopflocher Alb. „Das wären die reinsten Schredder-Anlagen für Vögel geworden“, gibt er zu Protokoll.
Unklar ist indessen noch, wer 2021 an Jimmys statt für die CDU im Wahlkreis Kirchheim antritt: „Ich habe mit Natalie Pfau-Weller eine hervorragende Zweitkandidatin. Aber natürlich ist es kein Automatismus, dass sie meine Nachfolge antreten muss. Deswegen habe ich frühzeitig auf dem Kreisparteitag gesagt: ,Macht euch Gedanken‘.“ Wer sich ebenfalls Gedanken machen dürfte, ist Karl Zimmermanns Ehefrau Anette: „Die hat schon ein bisschen Angst vor 2021.“ Aber seine Entscheidung steht: „Bis dahin bin ich 70, und ich habe immer für die Rente ab 70 plädiert. Da kann ich doch selber nicht länger arbeiten.“