Einen ersten Vorgeschmack auf das, was dieser Sommer bringen könnte, gab es bereits am Montag dieser Woche rund um die Teck. Starkregen, Sturmböen, ein kurzer Hagelschauer, Blitz und Donner – nichts Neues am Nordrand der Alb. Schließlich zählt die Gegend zwischen Trauf und Neckartal neben dem Alpenvorland zu den am stärksten von heftigen Gewittern bedrohten Landstrichen in ganz Deutschland. Warum das so ist, versuchen Wissenschaftlern seit langem zu entschlüsseln. Die gängigste These: Wenn im Sommer Wetterströme aus Südwesten feuchtheiße Luft vom Mittelmeer nach Süddeutschland transportieren, wirken die Höhen von Schwarzwald und Schwäbischer Alb wie ein Fahrbahnteiler. Ein Teil des Luftstroms gleitet dann westlich entlang des Rheintals, der andere um die Südflanke des Schwarzwalds und östlich der Alb in Richtung Norden. Dort prallen beide Ströme aufeinander und bilden sogenannte Konvergenzzonen, die schwere Gewitter begünstigen.
Ein Wetter, wie es an diesem Dienstag im Mai die Teckregion bestimmt, finden Meteorologen spannend. Die Atmosphäre ist geladen, schwere Wolken hängen am Nachmittag über dem Segelfluggelände in Dettingen. Die Luft ist feucht und scheint regelrecht greifbar. Martin Kohler und die beiden Studentinnen, die ihn unterstützen, setzen die letzten Handgriffe an das, was aussieht wie ein deutlich zu groß geratener Wäscheständer. Das Team aus Wissenschaftlern kommt vom Karlsruher
Institut für Technologie (KIT). Woran sie sich zu schaffen machen, ist eine von mehreren Wetterstationen, wie sie in den kommenden Tagen auch in Neidlingen, Weilheim, Ochsenwang und Jesingen entstehen werden. Bis Anfang September, wenn die Gewittersaison vorüber ist, sollen die Sonden und Sensoren alle relevanten Wetterdaten sammeln: Temperatur, Luftdruck und -feuchtigkeit, Co²-Gehalt bis hin zu Sonneneinstrahlung und Wärmestrahlung des Bodens. Ein Teil der hochsensiblen Geräte liefert zudem aufschlussreiche Fakten über Fließbewegungen des Wassers am Boden. Was wird oberflächennah gespeichert, was findet den Weg bis ins Grundwasser, und welcher Teil fließt direkt in die Lindach?
Und wozu das Ganze? Um Prozesse besser zu verstehen und staatlichen Behörden wie dem Deutschen Wetterdienst präzisere Vorhersagen lokaler Gewitter zu ermöglichen. Wo genau entstehen sie, wie stark entwickeln sie sich? „Bisher ist das nur schwer möglich,“ sagt Diplom-Meteorologe Martin Kohler. Am Projekt beteiligt sind Kolleginnen und Kollegen von mehreren Helmholtz-Forschungszentren und baden-württembergischen Universitäten. Sie werten die Daten aus, sorgen für Qualitätssicherung und Belastbarkeit und stellen sie anschließend zur Verfügung. „Wir wollen eine Gesamtschau erhalten,“ beschreibt Kohler das Ziel. Dass die Zunahme heftigster Gewitter mit Orkanböen, sintflutartigem Regen und Hagelschlag eine Folge der Klimaerwärmung ist, steht für die Meteorologen längst außer Frage. Den Optimismus mancher Experten, wonach der aktuelle Trend noch umkehrbar sei, teilt Martin Kohler nicht. Er sehe da eher schwarz, gesteht der Wetterforscher mit Blick auf die aktuelle Weltpolitik. „Mit Maßnahmen, die keinem wehtun, ist der Klimawandel nicht mehr zu stoppen.“
Der Standort der Wetterstation auf dem Dettinger Segelflugplatz jedenfalls gilt als ideal. Einen Steinwurf vom Hangar entfernt, öffnet sich die Landschaft nach Südwesten wie ein Einfallstor für jegliche Wetterströme. Klaus Carrle, im Hauptberuf Flugkapitän und Vorstandsmitglied der Fliegergruppe packt an diesem Nachmittag selbst mit an. Als Pilot im Cockpit des größten Passagierflugzeugs der Welt, dem A 380, ist er mit meteorologischen Daten vertraut. Auch Segelflugpiloten hängen naturgemäß vom Wetter ab. Als kleines Dankeschön für die Gastfreundschaft bekommen die Dettinger Fliegerkameraden den Datensatz der Anlage frei Haus geliefert – für alle Mitglieder abrufbar auf der Homepage des Vereins. Was er draus macht, bleibt jedem selbst überlassen.
Der Tag, an dem Steine vom Himmel fielen
Wer dabei war, wird den Tag so schnell nicht vergessen: Am 28. Juli 2013, einem Sonntag, lief am Nachmittag gerade die erste Halbzeit des EM-Finales der deutschen Fußballerinnen gegen Norwegen als sich über Kirchheim und Umgebung erst der Himmel verdunkelte und danach in vielen Wohnzimmern der Bildschirm schwarz wurde.
Eine Viertelstunde später glich die Landschaft am Albtrauf einem Trümmerfeld. Golfballgroße Hagelkörner zertrümmerten Hausdächer, Fassaden, Autos und Gewächshäuser und sorgten in vielen Gebieten für einen Totalausfall der Ernte in der Landwirtschaft. Allein die Kirchheimer Feuerwehr verzeichnete bis zum Abend mehr als 140 Einsätze. Gesamtbilanz der Schäden des Unwetters, das seinen Schwerpunkt im Raum Reutlingen hatte: 3,6 Milliarden Euro.
Auslöser des schwersten Hagelsturms im Südwesten war das, was Meteorologen eine Superzelle nennen. Gewaltige Gewitterwolken, die entstehen, wenn sich kalte Luft in der Höhe über extrem feuchte Warmluft in tieferen Schichten legt. Solche schwülheiße Mittelmeerluft mit Temperaturen bis fast 40 Grad bestimmte Ende Juli 2013 tagelang das Wetter in ganz Zentraleuropa. Die Gewitterfront, die am Albtrauf zur Katastrophe führte, hatte ihren Anfang bereits zwei Tage zuvor über Frankreich genommen. bk