Im Minutentakt gehen am Mittwochmorgen bei der Reutlinger Polizei die Unfallmeldungen ein. „Alle Einsatzkräfte sind unterwegs“, sagt Michael Schaal, der Pressesprecher des Polizeipräsidiums in Reutlingen. Eine so extreme Situation wie an diesem Morgen hat er selten erlebt. In der Notrufzentrale seien alle Plätze besetzt, es gehe ein Anruf nach dem anderen ein. Von mit Eis überzogenen Fußgängerwegen über Radwege bis Straßen sei alles dabei. Bisher habe es zum Glück in der Hauptsache nur Blechschäden gegeben.
Allen, die das Haus nicht verlassen müssen, riet Schaal daher davon ab, nach draußen zu gehen. Die Streudienste seien aufgrund der Wetterprognose zwar schon in der Nacht unterwegs gewesen, die Kälte und der Regen hätten dann aber doch zu sehr starkem Blitzeis geführt. Die Einsatzkräfte gaben nach den Worten Schaals ihr Bestes, um schnellstmöglich bei den gemeldeten Unfällen zu sein, allerdings kamen auch die Polizistinnen und Polizisten aufgrund der Glätte nur langsam voran, daher mussten alle Betroffenen an diesem ohnehin kalten Vormittag Geduld mitbringen.
Voller Einsatz auch in Weilheim
„Um 4 Uhr in der Nacht habe ich zum ersten Mal nach draußen gesehen und die Wetter-Apps kontrolliert“, sagt Thomas Bendl, der Leiter des Weilheimer Bauhofs. Schon um 4.30 Uhr, so Bendl, ist das erste Streufahrzeug ausgerückt. „Wir waren mit einem Lkw, mit zwei Traktoren und einem Unimog im Einsatz.“ Außerdem haben sechs Mitarbeiter des städtischen Bauhofs von Hand gestreut. Sie waren an Bushaltestellen, Treppen, Ampeln und überall dort unterwegs, wo die Streufahrzeuge nicht hinkommen.
Trotz des sehr schnell gefrierenden Regens haben die Weilheimer nach den Worten Bendls die Lage schnell unter Kontrolle bekommen. Er habe zwar auch Menschen gesehen, die sich an Häusern und Geländern entlang gehangelt haben, das habe aber eher daran gelegen, dass Privatpersonen ihrer Räum- und Streupflicht in der Regel nicht so früh nachkommen. Das Gröbste hätte das Team des Bauhofs schon beim ersten Durchgang, der um rund 7.30 Uhr abgeschlossen war, in den Griff bekommen.

„So einen Einsatz gehen wir immer ganz geordnet an“, sagt Bendl. Hauptstraßen und Steigungen stehen ganz oben auf der Prioritätenliste. „Im Industriegebiet Tobelwasen gibt es einige Steigungen, und dort fangen die Menschen in der Regel auch am frühesten an zu arbeiten, deshalb haben wir dort zuerst gestreut.“ Als Nächstes seien Busstrecken und Schulwege an der Reihe gewesen. Das Schlusslicht bilden in solch einem Fall Sackgassen und Seitenstraßen. Gegen 11 Uhr konnten die Streufahrzeuge wieder gereinigt und für den nächsten Einsatz vorbereitet werden.

Das Polizeipräsidium Reutlingen zieht Bilanz
Über 200 Verkehrsunfälle mit einem geschätzten Schaden von etwa einer Million Euro haben sich am Mittwochmorgen, 15. Januar, auf den Straßen der Landkreise Esslingen, Reutlingen, Tübingen und im Zollernalbkreis aufgrund von Blitzeis innerhalb von knapp fünf Stunden ereignet.
Ab 5.20 Uhr in der Früh gingen nahezu minütlich Unfallmeldungen in der Notrufzentrale des Polizeipräsidiums Reutlingen ein. Bis 10 Uhr ereigneten sich 205 Unfälle mit Blechschaden.
Bei neun Verkehrsunfällen wurden elf Personen leicht verletzt. Nicht mitgezählt sind gestürzte Fußgänger beziehungsweise zu Sturz gekommene Zweiradfahrer, die vom Rettungsdienst versorgt wurden. Der folgenreichste Verkehrsunfall ereignete sich auf der B 27 bei Hechingen. In Fahrtrichtung Balingen stießen gegen 8 Uhr insgesamt 21 Fahrzeuge zusammen. Hierbei wurden zwei Fahrzeuginsassen nach derzeitigem Kenntnisstand leicht verletzt. Die B 27 musste voll gesperrt werden. Der Rettungsdienst und Mitarbeiter des THW rückten zur Versorgung der Beteiligten an die Unfallstelle aus. Bis zur Bergung der verunglückten Fahrzeuge musste die Straße für mehrere Stunden gesperrt bleiben. pm