Als nach Ankunft der ersten Ukraine-Flüchtlinge die dringende Anfrage der Stadt Kirchheim kam, haben die Katholiken in der Teckstadt nicht lange überlegt: Sie stellten ihr Bohnauhaus in der Südstadt zur Verfügung. Bis Ende des Jahres verzichten sie auf jede Vergütung. „Das ist unser Beitrag“, sagt Pfarrer Franz Keil. Nun wurde die Vereinbarung mit dem Landkreis, der schnell von der Stadt als handelnde Instanz übernommen hatte, verlängert. Im neuen Jahr, bis sie ihr Haus voraussichtlich ab April wieder selbst nutzen, lassen sich die Katholiken immerhin die Nebenkosten erstatten. „Wir brauchen fünfmal soviel Wasser wie sonst“, erklärt Franz Keil.
„Für die Unterstützung sind wir sehr dankbar“, sagte die Sozialdezernentin des Landkreises, Katharina Kiewel, bei einem Besuch. „Das war total unkompliziert, es gab keine Forderungen.“ In den Jahren 2015 und 2016 habe es im Land mehr als 100 Einrichtungen für Geflüchtete gegeben, dann mussten sie auf Anweisung des Landes zurückgebaut werden. Nun werden sie wieder gebraucht. „Wir bringen Menschen zum Teil in Fabriken unter“, berichtete Katharina Kiewel. „Wir haben aktuell im Landkreis 6600 Ukrainerinnen und Ukrainer untergebracht, insgesamt 7700 Geflüchtete“, so Christian Sigler, Amtsleiter im Amt für Flüchtlingshilfe. „Wir haben mehr Zugänge als in den Jahren 2015 und 2016 zusammen.“
Das Bohnauhaus fasst bis zu 40 Geflüchtete, aktuell sind dort 23 Menschen untergebracht. Insgesamt 140 Menschen haben die Unterkunft durchlaufen. Je nach Zusammensetzung – es war auch einmal eine elfköpfige Großfamilie dabei – hat die bei der Kirche angestellte Hausmeisterin Christine Bosch immer wieder umgebaut. Spinde wurden aufgestellt, mit Bauzäunen und Planen hat sie den Saal unterteilt, um ein wenig Privatsphäre zu schaffen. „Zwei Männer sind jetzt ein halbes Jahr hier“, sagt sie. Auch im Ministrantenzimmer, im Kolpingzimmer, im Jugendraum und im Bistro sind Geflüchtete untergebracht. Der Kolpingraum hat zum Glück zwei Türen, so wurde er mit einem Bauzaun für zwei Mal sechs Leute unterteilt. Der Betrieb des Jugendzentrums KiZ geht parallel weiter, auch die Kindergruppe „Bohnauzwerge“ trifft sich, das hat sich eingespielt. „Geflüchtete im passenden Alter sind im KiZ sehr willkommen“, sagt dessen Leiter Wolfgang Schinko. Manche können Englisch, gemeinsam Spielen geht zur Not aber auch ohne sich unterhalten zu können.
Neben dem Haus sind zusätzliche Sanitärcontainer aufgestellt. Das Essen kommt von der Medius Klinik Kirchheim, den Transport übernehmen zwei vom Deutschen Roten Kreuz angestellte Ukrainer. Die Sozialbetreuung hat die Arbeiterwohlfahrt übernommen. Worüber Christine Bosch sehr froh ist: Sie muss nicht händeringend nach Ärzten suchen. „Dr. Uwe Müller nimmt alle hier Untergebrachten als Hausarztpatienten auf. Anfangs kam er jede Woche her, in seiner Praxis gibt es russische Sprachkenntnisse.“
Jeden Montag helfen Ehrenamtliche den Geflüchteten, spielerisch etwas Deutsch zu lernen. Sie üben mit ihnen die Uhrzeiten und arbeiten mit Memory-Karten. Angesichts so schwieriger Begriffe wie „dreiviertel drei“ geht es nur langsam voran. Im Alltag übersetzt das Smartphone. „Erklären Sie mal eine deutsche Waschmaschine auf Ukrainisch“, sagt Christine Bosch. „Da ist eine halbe Stunde schnell weg.“ Im Haus gibt es auch eine Kleiderkammer. Und wenn etwas nicht passt? Dann hilft Ingrid Gaus, die jeden Mittwoch eine Nähwerkstatt anbietet.
Der Kirchenchor und viele andere kirchliche Gruppen sind aktuell ins Gemeindehaus St. Ulrich ausgewichen, das nun sehr dicht belegt ist. „Nun wollen wir das Bohnauhaus wieder beleben“, sagt der Kirchengemeinderat Andreas Möller. Aber zuerst müssten die Geflüchteten den Winter überstehen. Wenn dann nach deren Auszug etwas renoviert werden müsse, sagen die Pfarrer Franz Keil und Clemens Knorpp, sei der Landkreis gefragt. Das ist so vereinbart, und das bestätigen dessen Besucher auch bereitwillig – bei so viel Gastfreundschaft.