Ganz unwahrscheinlich ist es nicht, dass sich die Gäste an diesem Abend in der Bastion bretonisch unterhalten. Bretonisch gehört zu den keltischen Sprachen, und Fundstellen im Raum Stuttgart zeigen, dass die Kelten hier einmal gelebt haben. So erinnerte Sängerin Gwennyn Louarn auch an die gemeinsamen Wurzeln: „Wir sind alle Kelten.“ Trotzdem verstand außer der Band wohl niemand die bretonischen Liedtexte. Ein Glück, dass die Sängerin manche der Lieder auf Deutsch ankündigte. Mit hinreißendem Akzent moderierte sie die Stücke an und erzählte bei einigen ausführlich, worüber sie handeln.
Neben Bretonisch, Französisch und Englisch ist Deutsch damit die vierte Sprache, die die Sängerin spricht. Das Gleiche könne man von ihrer Band nicht behaupten, scherzte die 45-Jährige. So könne ihr Gitarrist Patrice Marzin außer den Worten „Ein großes Bier bitte“ kein Deutsch. Die Künstlerin zeigte sich ohnehin sehr nahbar. Sie fragte beim Publikum nach, ob es dieses oder jenes Fleckchen der Bretagne kenne, ließ sich Nachhilfe in Deutsch geben und plauderte auf Französisch mit einigen Gästen. Sie erzählte von ihrer Heimatstadt, vom Meer und von den Bergen, die nicht sonderlich hoch, dafür alt seien.
Mit ihrer vierköpfigen Band spielte die mehrfach ausgezeichnete Sängerin, die zu den wichtigsten Botschafterinnen des zeitgenössischen bretonischen Gesangs zählt, traditionelle Lieder und Eigenkompositionen. Typisch bretonische Instrumenten wie die Bombarde, eine Art kleine Oboe, und ein Dudelsack gaben den Liedern einen mystisch anheimelnden Klang. Die Besonderheit der Band ist, dass sie den Liedern ein modernes Gewand verpasst. So erinnerten einige Stücke dank Instrumenten wie Gitarre und Bass an Elektro-Pop. Viele der Lieder handeln von Sagen, eines sogar von Merlin. Moment, gehört der Zauberer nicht nach Großbritannien? Das ist schnell erklärt: Einwanderer aus Wales und Cornwall kamen von Großbritannien in die Bretagne und brachten ihre Sprache und Mythen mit.
Tanzkurs inklusive
Besonders die schnelleren Lieder gefielen dem Publikum. Immer dann, wenn alle fünf Musiker in die Lieder miteinstiegen, klatschen die Zuhörer besonders laut und tanzten mit. Der Tanz, erzählte die Liedermacherin, hat in der Bretagne eine ungewöhnliche Funktion. Wurde früher ein Haus gebaut, wurde zu einem Tanzabend geladen, denn die vielen tanzenden Füße halfen, den Boden glattzuklopfen.
Zwar ist der Fußboden in der Bastion seit Jahren fest, trotzdem ließ es sich 45-Jährige nicht nehmen, den Besuchern einen kleinen Tanzkurs zu geben. Sie zeigte zunächst die Schritte, stieg dann von der Bühne, hakte sich bei zwei Zuhörern jeweils am kleinen Finger unter und ermunterte das Publikum, mit ihr zu tanzen. Obwohl es sehr eng war; bildeten die Besucher eine Art bretonische Polonaise und tanzten mit der Sängerin mehrere Minuten durch den Raum.
Nach dem Konzert hatten sicher einige der 140 Besucher Lust auf einen Urlaub in der Bretagne. Einen kleinen gesungenen „Reisehinweis“ gab Gwennyn ihrem Publikum gleich mit. Bei einem Besuch sollte man eines beachten: Wenn man bei Mondschein weiß gekleidete Frauen sieht, die ihre Wäsche im Fluss waschen, sollte man tun, was sie sagen. Hilft man diesen Nachtwäscherinnen nicht beim Wäsche auswringen, würden sie einem - besonders gern betrunkenen Männern - die Arme brechen. Nicht nur das Publikum, auch die Band lernte an dem Abend etwas. Ihr Gitarrist kann jetzt ein weiteres deutsches Wort. Auch wenn er es zunächst mit dem Wort „Stuttgart“ verwechselte, weiß er jetzt, was „Zugabe“ bedeutet. Denn erst nach zwei von diesen ließ das Publikum die Musiker gehen.
Info Für alle, die für diesen Abend keine Karten bekommen haben: Gwennyn tritt am Donnerstag, 30. Januar, in Göppingen, Gasthaus „Zum Engel“, am Freitag, 31. Januar, im Kulturverein Metzingen-Glems und erst wieder am 23. Oktober in Esslingen in der Dieselstraße auf.