Kirchheim
Bruder Theo kann auch bitterböse sein

Kabarett Der Journalist Peter Dietrich begeistert sein Publikum in der Kirchheimer Christuskirche. Er bewegt sich zwischen Humor und Ernsthaftigkeit. Von Sylvia Horlebein

Bruder Theo alias Peter Dietrich ist gelandet. Wieder einmal in Kirchheim. Völlig unverhofft und unerwartet öffnet er seine Augen am Samstagabend in der Christuskirche, nur, um dann genervt nach oben zu schauen. Schließlich kann er nichts dafür, dass auch der Himmel digitalisiert wurde und Petrus nur Windows 95 gekauft hat. Ein Hilfsengel dritten Grades hat schon wieder den Haken falsch gesetzt, und so ist Bruder Theo erneut auf der Erde gelandet. Er braucht ein bisschen, um sich zurecht zu finden, denn wie er dem gespannten Publikum erklärt, befindet er sich in der irdischen Nachspielzeit. Sein Alter verrät er nicht, ist aber beruhigt, dass sich die Zuschauer im guten, zweistelligen Alter befinden. Doch nicht nur das Alter ist wichtig, auch die Zusammensetzung der vollbesetzten Reihen bereitet ihm Kopfzerbrechen. Sind etwa Zeugen Coronas da, oder noch schlimmer, Zeugen Klimas? Sein Puls beruhigt sich wieder und er ist erleichtert, sind doch nur Evangelen und Katholiken im Haus.

Bruder Theo schreitet gemäßigten Schrittes über die Bühne und packt sein Jahrhunderte altes Wissen aus. Erzählt von Schubladendenken, dem schon Jesus zum Opfer gefallen ist, und auch ihm, einem Ordensbruder der Kabarettisten, passiert das immer wieder. Doch von sich möchte er dann doch nicht erzählen. Stattdessen fragt er, wann Olaf Scholz endlich zum Gedächtnistrainer geht und Annalena Baerbock einen Deutschkurs mit angehängtem Diplomatie-Seminar besucht. Bitterböse und sehr politisch wird es, immer mit einer Prise schwarzem Humor gewürzt und ganz viel schwäbischem Dialekt. Er weiß genau, er muss „uffbassa“, damit sich „dia Leit nedd langweiled.“ Doch die Gefahr ist gering. Bruder Theo hat seinen Finger am Puls der Zeit und das Publikum amüsiert sich prächtig.

Alte Klassiker kommen an

Hin und wieder ist er allerdings etwas besorgt. Wollen die Zuschauer Dinge zum aktuellen Weltgeschehen hören? Soll er tatsächlich über Stunden von den Widrigkeiten der Zeit sprechen, oder ist es nicht sinnvoller, wenn er die alten Klassiker rausholt? Schließlich kennt er sie alle, Dieter Hildebrandt, Loriot, Otto und auch Robert Lemke. Also streut er zur Belustigung aller, Zitate aus längst vergangenen Zeiten ein. „Welches Schweinderl hätten Sie denn gerne?“ fragt er die erste Reihe, bevor er sich auf den Boden wirft und seine Gummiente nach Loriot-Art nicht teilen möchte.

Es ist ein vor und zurück, ein auf und ab. Immer wieder mischt er aktuelle Themen mit alten Wahrheiten. Zeigt auf, was in der Welt im Argen liegt, welche Versprechen schon vor Jahrzehnten gegeben wurden und bis heute nicht eingehalten worden sind. Fragt seine Gäste, warum Julian Assange in der Zelle sitzt, während Boris Johnson das nicht tut. Fragt, ob eigentlich allen klar ist, dass Geld auch nur ein Glaubensbekenntnis ist, allerdings ein bedrucktes.

Zugabe fällt musikalisch aus

Tiefgründig ist er, der schlicht angezogene Ordensbruder. Nicht jede Aussage sorgt für Lacher. Sollen sie auch nicht, sie sollen zum Nachdenken anregen. „Stellen sie sich mal vor, wir hätten zwei Münder“, kommt ein harmloser Einstieg, „dann gäbe es Söderitis Simultanis!“ Ein böser Seitenhieb nach Bayern, der für viel Zuspruch sorgt. Doch mit schlechten Gedanken soll niemand nach Hause gehen. „Ich danke Gott, und freu mich“ klingt zart die erste Zeile von Matthias Claudius Lieds „täglich singen“ durch die Kirche. Mucksmäuschenstill ist es, während Bruder Theo mit klarer Stimme das mehrstrophige Lied zum Besten gibt. Er singt vom dem, was wirklich wichtig ist, abseits von Geld und Macht. Kein Laut ist zu hören, erst als der letzte Ton verklungen ist, brandet Applaus.

Die Zugabe fällt ebenfalls musikalisch aus. Zusammen mit dem gut gelaunten Publikum singt Bruder Theo „Ade zur guten Nacht“ und verabschiedet sich erneut in den Himmel.