Chai – der Name bedeutet in vielen Sprachen Tee, auch wenn das Wort auf Persisch, Arabisch oder auf Russisch anders geschrieben wird. Aber ausgesprochen wird es in allen Sprachen mehr oder weniger gleich. „Das verstehen alle, die hier hinkommen“, sagt Helena Saidi. Genau deshalb habe man den Treffpunkt im Mehrgenerationenhaus Linde in Kirchheim auch so genannt. Die meisten haben einen Bezug zu ihm, und bei einer Tasse Tee lässt sich zudem leichter über Probleme reden. Chai soll vor allem eins sein: niederschwellig. Denn Hürden gibt es im Behördendschungel genug.
Diejenigen, die Chai aufsuchen, kommen nicht nur aus aller Herren Länder, sie haben auch meistens eine Fluchterfahrung und brauchen individuelle Hilfe ohne bürokratische Schranken. Die Chai-Macherinnen nennen sie „Menschen mit Migrationsvorsprung“, denen unabhängig von Herkunftsland, Alter, Geschlecht, Nationalität, Glaube, Behinderung, sexueller Orientierung, Weltanschauung oder Aufenthaltsstatus geholfen wird. Dabei wollen die Mitarbeiterinnen auch mit der Sprache positive Denkanstöße geben: Der „Hintergrund“ wird zum „Vorsprung“.

Seit 13 Jahren geht es in dem gemütlichen Büro im Mehrgenerationenhaus Linde um alle Lebensphasen – „alles von der Hebamme bis zum Bestatter“, macht Helena Saidi die Bandbreite ihrer Arbeit deutlich. Das fängt an beim Kindergartenplatz, der Suche nach Beschäftigungs- oder Qualifizierungsmöglichkeiten, Kontakte zu Sprachkursen und natürlich der Jobsuche. Daraus hat sich als eigenständiges Projekt JET herausgebildet, das als „Treffpunkt Einstieg Job“ konkrete Hilfe bei der Arbeitssuche anbietet. Dieses Feld beackert Layla Bagli.
Zum erstes Mal ins Schwimmbad gegangen
Getragen wird Chai von der Bruderhaus Diakonie und bekommt eine Projektfinanzierung der Stadt Kirchheim. Geld wird aber immer wieder benötigt für eher kleine Projekte, die aber oft eine ganz große Wirkung entfalten können. „Wir haben eine Frauenauszeit mit Palästinenserinnen gemacht und sind mit ihnen schwimmen gegangen. Viele von ihnen waren das erste Mal im Freibad. So wussten sie nicht, ob dort der Burkini erlaubt ist“, sagt Helena Saidi. Dann haben sie einen Schwimmkurs absolviert, der so bei der DLRG nicht möglich gewesen wäre. „Das haben wir aus Spendenmitteln finanziert“, sagt Theresa Ringwald, die Dritte im Bunde bei Chai. „Im Freibad gibt es Gefahren, mit denen rechnet man gar nicht. Eine Wasserrutsche ist für jemanden gefährlich, wenn er gar keine Erfahrung hat, wie es ist, unter Wasser zu kommen. Selbst wenn man dort stehen kann“, sagt Helena Saidi.
Mit den kleinen, flexiblen Projekten helfen die drei Mitarbeiterinnen den Menschen, sich besser in der deutschen Gesellschaft zurechtzufinden. Das kann auch mal ein Vortrag zum Thema Demokratie sein oder ein Kochkurs aus Reihen der „Kundinnen“. Manchmal ist es auch eine Raummiete für einen spontanen Treff oder etwas Verpflegung für einen Ausflug, für die kein Budget da ist. Von Trommelworkshops, Spiel- und Krabbelgruppen für Kinder ohne Kita-Platz bis zum Frauen-Zumba. „Da wollen wir natürlich auch eine Vergütung für die Lehrerinnen anbieten“, sagt Theresa Ringwald. Viele Gelder würden für solche Dinge anfallen, die könnten sie aber nicht abdecken. „Viele Themen brauchen Zeit“, sagt Helena Saidi. Gemeinsam überlegen und ein Tässchen Tee oder Kaffee trinken – auch so hat sich schon manches Problem gelöst.
Info Die Beratungsstelle Chai befindet sich im Mehrgenerationenhaus Linde, Alleenstraße 90, in Kirchheim.