„Schau mal Omi, das steht jetzt bei Instagram“, erklär Peter Pauer seiner Großmutter Charlotte Kretschmann und zeigt ihr den frischen Eintrag über die damals fast 113-Jährige auf dem Handy. Die ist begeistert: „Tolle Sache, was mit der Technik alles möglich ist.“ Dieses Gespräch durfte der Teckbote noch im Dezember 2022 miterleben.
Charlotte Kretschmann, die nicht mit Ministerpräsident Kretschmann verwandt ist, wurde im hohen Alter zum Medienstar. Sie gab Interviews, ihr Instagram-Account zählt 14.000 Follower. Mit Posts aus ihrem Alltag – wie von der Feier zu ihrem 114. Geburtstag im Rathaus – ließ sie diese an ihrem Leben teilhaben. Im Kirchheimer Henriettenstift, wo sie seit 2014 lebte, gehörte die gebürtige Breslauerin um 6 oder 6.30 Uhr morgens zu den ersten, die geweckt wurden. Nach dem Frühstück startete sie dann ihre Runde durch den Garten, rund ums „Wässerle“, einem kleinen Teich. „Mein Kopf ist Gott sei Dank klar“, sagte sie. Und auch körperlich war sie noch weitestgehend mobil, obwohl sie vor ein paar Jahren mit dem Rollstuhl eine Treppe hinunter gestürzt war. „Das ist eine Art Weltwunder, dass sie sich damals nichts gebrochen hat“, sagte ihr Enkel.
Ein solch langes Leben wie es die 114-Jährige hatte, hat aber nicht nur schöne Seiten: Zwei Kriege hat sie erlebt, besonders schlimm war für sie der Zweite Weltkrieg. Vertreibung aus der Heimat, Hunger und die ständige Angst, erschossen zu werden, ein Weihnachtsfest, an dem es nur Kohlblätter gab: All das hat ihre Jugend geprägt. Doch auch andere Schmerzen hält solch ein biblisches Alter bereit, bedeutet es doch auch, dass man viele geliebte Menschen überlebt. So war 2019 ihre einzige Tochter Siegrid gestorben, im Alter von 82 Jahren. „Da habe ich nachts viel geweint“, sagte sie.
Mit ihrem Mann teilte sie die Leidenschaft für Sport, er war ein erfolgreicher Sprinter, sie eine der 30 besten 800-Meter-Läuferinnen in Deutschland in ihrer Altersklasse. Vor 30 Jahren starb er. „Danach wollte ich eigentlich gar nicht mehr leben“, sagte sie. Mehr als 20 Jahre lebte sie alleine in Bad Cannstatt, bevor ihre Enkel sie nach Kirchheim holten.
Eigentlich wollte sie nächste Woche am Seniorennachmittag bei den Kirchheimer Biertagen mit von der Partie sein. Nicht nur dort wird sie nun schmerzlich vermisst werden.

