Ich bin beeindruckt von der seelischen Größe dieses jungen Musikers“, charakterisierte Leonard Bernstein bei einer Tournee im Jahre 1989 den damals 25-jährigen Pianisten Christoph Soldan. Inzwischen hat dieser weltweit mit renommierten Orchestern in einigen der bedeutendsten Konzertsäle gastiert und zahlreiche Rundfunk- und Fernsehproduktionen eingespielt. Zusammen mit den ausgezeichneten Schlesischen Kammersolisten gründete er eines der erfolgreichsten Kammerensembles in Europa, das am vergangenen Sonntag in der Stadthalle Kirchheim gastierte.
In einem der bedeutendsten Meisterwerke der Kammermusik, dem „Klavierquintett f-Moll Opus 34“ von Johannes Brahms brillierten die fünf Musiker im explodierenden Klangrausch, feinster musikalischer Poesie, einer nuancierten Lautstärke- und Ausdruckspalette und synchronem Zusammenspiel. Sie verdeutlichten den an eine Tragödie gemahnenden Gehalt der Musik, zeigten den Komponisten Brahms in seiner vollen Größe und ließen aus dem „weiten Rachen des Flügels“ und den vier Streichinstrumenten symphonische Klangfülle entströmen.
Lyrische Appetithappen
Einem herrlichen Gesang gleichend ertönt das Thema des ersten Satzes „Allegro ma non troppo“ im sanft-lyrischen Duktus, dem abrupt ein energisch-zupackender Ausbruch folgt. Christoph Soldan kombiniert seinen wundervollen Anschlag mit einem Vorwärtsdrängen, das lodernde Leidenschaft intendiert. Die fünf Musici faszinieren mit ständigem Auf- und Abwogen, liefern lyrische Appetithappen und changieren zu schwungvoller Gestaltung. Mit seiner Walzerseligkeit und der innigen Melodie der Streicher bildet der zweite Satz unverkennbar eine Hommage an Franz Schubert, während das hämmernde Motiv des Scherzos Wagners Darstellung der unterirdischen Kluft in der dritten Szene von „Rheingold“ vorwegnimmt. Bei Brahms entwickelt sich auf der Basis dieses pochenden Motivs ein Satz von verblüffender Motorik und grandioser Virtuosität, ehe der Finalsatz mit wildem Tosen den krönenden Abschluss herbeiführt.
Den ersten Teil des Konzerts eröffnen die Schlesischen Kammersolisten, durch den Kontrabassisten Dawid Lewandowski verstärkt, mit geradezu träumerischem Klang und lupenreinen Tönen in der „Ouvertüre zum Sommernachtstraum“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Filigranes Gewimmel im Pianissimo symbolisiert das Schweben der Elfen, und danach erzeugen leuchtende Klangflächen ein außergewöhnliches Hörerlebnis.
Die „Peer Gynt-Suite“ des Norwegers Edvard Grieg ist weltbekannt in der Fassung mit großem Symphonieorchester, daher erscheint der erste Satz „Morgenstimmung“ für den klassisch geschulten Hörer mit fünf Solostreichern etwas ungewöhnlich, denn der Sonnenaufgang über dem Fjord verliert etwas an Wirkung und majestätischer Größe. Hingegen erreicht die solistische Besetzung im Klagelied „Åses Tod“ eine Offenbarung hochsensibler klanglicher Gestaltung. Aus Schattierungen des zartesten Pianissimo bäumt sich der Satz wuchtig auf und sinkt ab ins „Morendo“, das mit „ersterbend“ übersetzt werden kann. „Anitras Tanz“ entführt das Publikum in eine Welt der Exotik – mit ihrem unverhohlen erotischen Tanz lockt die orientalische Prinzessin Peer Gynt in ein Liebesabenteuer. Mit filigraner Leichtigkeit und spieltechnischer Vollendung wird dieser Inhalt umgesetzt durch die Melodie in den beiden Violinen und dem zarten Teppich aus gezupften Streicherakkorden. Bedrohlich wirkt der abschließende Satz „In der Halle des Bergkönigs“, in dem die Künstler in fieberhafter Intensität eine Steigerung herbeiführen in Tempo, Tonumfang und Lautstärke. „Die Trolle flüchten unter Gepolter und Geheul. Die Halle stürzt zusammen.“
In der „Suite im alten Stil – Aus Holbergs Zeit“ von Edvard Grieg zeigen alle Künstler ihr meisterliches Können, und Dariusz Zboch jagt seine erste Violine glasklar bis in die höchste Lage.
Nach dem furiosen Höhepunkt mit Brahms’ Opus 34 im zweiten Konzertteil entlässt Christoph Soldan die begeisterten Zuhörerinnen und Zuhörer mit einer ruhigen Zugabe aus der Stadthalle in die laue Sommernacht.