Aus Omas Wäscheschrank war er nicht wegzudenken, die Enkel erinnern sich mit Grauen daran, damit den Mund abgewischt zu bekommen: die Rede ist vom Waschlappen. Über Nacht ist er jetzt zum Star geworden. Ministerpräsident Winfried Kretschmann empfahl seine Verwendung unlängst als Sparmaßnahme anstelle des deutlich verschwenderischen Duschens. Seither ist der Waschlappen sprichwörtlich in aller Munde. Der landesväterliche Energiespartipp der besonderen Art ist zwar nicht überall gut angekommen, hat aber für gehörig Aufregung gesorgt.
Nicht nur auf politischem Parkett schlugen die Wogen hoch, auch in Kirchheim sind die Nachwirkungen spürbar: Uli Kreyscher verzeichnet eine steigende Nachfrage nach den kleinen Frottierhelfern. Der Mann weiß, wovon
meint meist in Wahrheit
einen Waschhandschuh.
er spricht: Er führt das Fachgeschäft für Betten und Wäsche, das sein Ururgroßvater Karl-Friedrich Kreyscher im Jahr 1877 gegründet hat, seit 45 Jahren in der fünften Generation. Bei der Übernahme im Jahr 1977 sei der Waschlappen ein größeres Thema gewesen als in der Folgezeit, erinnert er sich. Nicht zuletzt dank der Äußerung des Ministerpräsidenten könnte sich jetzt eine Wende abzeichnen: Kreyscher ist vorbereitet, denn er hat zur Sicherheit mehrere hundert Waschlappen bestellt. „Mal schauen, wie weit ich damit komme“, scherzt er.
Eigentlich ist der Begriff „Waschlappen“ eine weit verbreitete Falschbezeichnung: Ungefähr 80 Prozent derer, die im Laden in der Kirchheimer Fußgängerzone nach einem „Waschlappen“ suchen, meinen in Wahrheit einen „Waschhandschuh“, wie der Chef aufklärt: „Hier hat sich nicht nur der Landesvater falsch ausgedrückt.“ Den Terminus „Waschlappen“ verwenden Fachleute nur für ein einfaches Frottiertuch, bei dem es nicht die Möglichkeit gibt, mit der Hand hineinzufahren. Sonst handelt es sich nämlich um einen „Waschhandschuh“.
Gibt es einen Topseller unter den Waschhandschuhen? Uli Kreyscher blickt verschmitzt über sein buntes Sortiment und antwortet schließlich mit einem Grinsen: „Bei den jungen Leuten nicht. Da wird quer Beet jede Farbe gekauft. Bei den etwas älteren Generationen sieht das anders aus.“ Sie meiden besonders intensive Farben wie rot und blau aus Furcht vor Verfärbungen. Nach der ersten Wäsche bei 60 Grad Celsius gebe es hier aber keinen Grund zur Sorge mehr.
Wo man auch hinhört, scheint die Ansicht zu gelten, dass die Qualität auch von Textilien früher besser war. Das kann Uli Kreyscher zumindest beim Waschhandschuh nicht bestätigen. Sein Verdacht: Die Menge macht den Unterschied. Früher, als Bräute noch eine Aussteuer erhielten, wurde auf einen Schlag ein lebenslanger Vorrat angeschafft. Die Konsequenz: Der einzelne Lappen landete viel seltener im Wäschekorb. Heutzutage ist bekanntlich alles viel schnelllebiger: Gefällt die Farbe nicht mehr – wird sie ausgetauscht. Ohnehin begnügt sich jeder Haushalt von vornherein mit einer überschaubaren Anzahl an Waschlappen.
Ganz verschwunden war der Waschhandschuh nie wirklich. Vor allem Frauen scheinen ihn gern mit unter die Dusche zu nehmen und schätzen den Peeling-Effekt. Laut Uli Kreyscher gehörte der Waschlappen als Helfer bei der Körperhygiene immer zu den täglichen Gebrauchsgegenständen. Daher gab es in seinen 45 Dienstjahren nicht allzu große Schwankungen beim Absatz.
Auch aus Krankenhäusern, Pflegeheimen und Babystationen sind sowohl der Waschhandschuh als auch der Waschlappen nie verschwunden. Sie kommen überall dort täglich zum Einsatz, wo Menschen nicht dazu in der Lage sind, sich selbst zu waschen.
Uli Kreyscher sitzt mit seinem Unternehmen direkt an der Quelle und hat daher auch selbst um die 30 Waschlappen in seinem privaten Heim. Die Aussage von Winfried Kretschmann habe ihn zum Nachdenken über Wassersparmöglichkeiten gebracht. Wie sich das auswirkt? „Fragen Sie doch nächstes Jahr nach meiner Wasserrechnung,“ sagt er im Spaß.