Kirchheim
Container auf dem Güterbahnhofsgelände: „Wir müssen dringend handeln“

Unterbringung Die Stadt Kirchheim hat interessierte Bürger über den geplanten Containerstandort auf dem Güterbahnhofsgelände informiert. 40 Flüchtlinge sollen noch in diesem Jahr dort einziehen. Von Andreas Volz

Bürgerbeteiligung hätten sich die Gäste gewünscht. Die Realität in der Kirchheimer Feuerwache sah aber anders aus, wie ein Teilnehmer der Informationsveranstaltung klagte: „Als Anwohner sind wir davon ausgegangen,
 

Die Container bleiben so lange dort, wie wir sie brauchen.
Günter Riemer
auf die Frage, wie lange der Standort am Güterbahnhof bestehen soll

dass es ein offener Prozess ist.“ Gerne hätte er mitdiskutiert über den geeigneten Standort von vier Containergebäuden zur Unterbringung von Flüchtlingen: „Aber als die Einladung im Briefkasten war, stand das Thema am selben Tag auf der Tagesordnung des Gemeinderats. Und für den Gemeinderat gab es schon keine Alternative mehr. Es blieb nur noch diesen einen Standort auf dem Güterbahnhofsgelände für die Entscheidung.“

Kirchheims Oberbürgermeister Pascal Bader nannte den Zeitdruck als entscheidendes Kriterium: „Wir müssen dringend handeln. Deshalb konnte es hier leider nur eine Bürgerinformation geben. Eine echte Bürgerbeteiligung wäre nicht mehr möglich gewesen.“ Trotzdem dankte er allen Beteiligten für deren sachliche Hinweise und versprach, diese Anregungen so gut wie möglich ins Konzept einzuarbeiten.

Eines allerdings lässt sich nicht aufnehmen: Mehrfach kam der Hinweis, dass der Containerstandort zwischen vorhandener gewerblicher Bebauung und S-Bahn-Gleisen nicht optimal sei für die Unterbringung. Das musste auch der Oberbürgermeister zugeben: „In der Tat werden die Container da irgendwie reingepfercht, das ist uns bewusst. Aber wenn wir die Container an einer anderen Stelle unterbringen, ist die Schaffung von günstigem Wohnraum auf dem gesamten Güterbahnhofs-Areal für mindestens zehn Jahre nicht mehr möglich.“

Andere Nachfragen bezogen sich auf die Notwendigkeit, überhaupt Container aufzustellen: „Die Unterbringung ist eine Pflichtaufgabe der Kommunen. Dagegen können wir uns nicht wehren“, stellte Pascal Bader klar. Eine weitere Frage bezog sich auf die Planungen, am Güterbahnhof 40 „Alleinreisende“ unterzubringen. „Familien wollen wir eher in angemieteten Wohnungen unterbringen, und nicht in Containern“, sagte der Oberbürgermeister, und der Erste Bürgermeister Günter Riemer ergänzte: „Das ist eine Abwägungssache. Es kommen eben auch Einzelpersonen, und die müssen wir genauso unterbringen wie Familien.“

Bleibt es bei 40 Personen?

Ob es denn auch tatsächlich bei 40 Bewohnern an diesem Standort bleibe, wollte jemand wissen. Die Frage blieb letztlich offen. „Wir sehen derzeit nicht mehr als 40 Personen vor“, meinte Günter Riemer vielsagend. Dass es unter gewissen Umständen aber auch zu einer dichteren Belegung kommen könnte, wollte Pascal Bader in einem Halbsatz nicht gänzlich ausschließen: „Bevor wir eine Sporthalle schließen müssen, um dort Geflüchtete unterzubringen ...“ Die Stadt sucht weiterhin nach Standorten – nach einem weiteren Containerstandort für 40 Personen ebenso wie nach Standorten für eine feste Wohnbebauung.

Die Container sind als eine Art Zwischenlösung anzusehen: „Die haben eher einen Wohncharakter als die vorläufige Unterbringung“, sagte Günter Riemer. Andererseits seien sie aber nicht als langfristige Wohnung vorgesehen. Die S-Bahn, die direkt an den Containern vorbeifährt, sei nicht gerade ideal für dauerhaftes Wohnen.

Trotzdem dürften die Container dort jahrelang stehenbleiben und in häufigerem „Mieter“-Wechsel genutzt werden, wie Günter Riemer ausführte: „Die Container bleiben so lange dort, wie wir sie brauchen.“ Da er bei der Unterbringung von Flüchtlingen von einer „Daueraufgabe“ ausgeht, ist es durchaus denkbar, dass der Containerstandort so schnell nicht weicht – auch nicht nach einem möglichen Ende des Ukraine-Kriegs. Wann genau die Container am Güterbahnhof belegt werden, steht noch nicht fest. Aber spätestens in eine, halben Jahr soll es so weit sein.

Der Schulweg, der vom Bahnhof ins Berufsschulzentrum führt, soll nicht betroffen sein. Auch wenn derzeit viele Schüler den Weg über den Containerstandort nehmen, gebe es noch andere Wege, um vom Bahnhof in die Boschstraße zu gelangen. Ganz am Ende griff Oberbürgermeister Bader noch eine weitere Anregung gerne auf: auf dem Gelände einen Grünstreifen einzurichten, auf dem die Bewohner auch etwas anpflanzen könnten. „Die schönste Ecke in Kirchheim ist es nicht“, sagte er. „Aber vielleicht lässt sie sich auf diese Art und Weise doch etwas schöner gestalten.“

 

Prognostizierte Zahlen für das Jahr 2023

190 bis 200 Personen bekommt die Stadt Kirchheim im Jahr 2023 zugewiesen. Diese Prognose nannte Oberbürgermeister Bader bei der Bürgerinformation. Etwa 100 davon dürften aus der Ukraine stammen, der Rest aus „sonstigen Ländern“. Exakte Zahlen gibt es nicht. Nur so viel steht fest: „Der Landkreis hat im vergangenen Jahr mehr Geflüchtete aufgenommen als 2015 und 2016 zusammen.“

Betreuung erhalten die Geflüchteten in Kirchheim durch das Integrationsmanagement der Stadt, wie die zuständige Bürgermeisterin Christine Kullen ausführte. Derzeit stehen rechnerisch 4,5 Vollzeitstellen für Betreuung und Begleitung zur Verfügung. Für den Containerstandort auf dem Güterbahnhofsgelände ist eine weitere 100-Prozent-Stelle in Sozialpädagogik vorgesehen.

Die Ausschreibung sieht entweder neue oder auch gebrauchte Container vor. „Wir sind gespannt, was uns der Markt anbietet“, sagte Bürgermeister Günter Riemer. Außer Wohnräumen sind auch Gemeinschaftsräume sowie Büroräume für die sozialpädagogische Betreuung vorgesehen.

Rückfragen per E-Mail sind über die Adresse buergerinfo@kirchheim-teck.de möglich.      vol

Kommunen sind am Limit

Man muss grundsätzlich mit allem rechnen. Deshalb ist es gut und sinnvoll, wenn sich Kirchheims Stadtverwaltung auf die Unterbringung von geflüchteten Menschen als „Daueraufgabe“ einstellt. Genauso sinnvoll ist es, wenn die Verwaltungsspitze diese Daueraufgabe als solche auch klar kommuniziert. Es geht darum, den Bürgern reinen Wein einzuschenken, auch wenn dieser Wein manchem sauer aufstoßen mag.

Aber: Eine fatalistische Ergebenheit der Stadtverwaltung ist dennoch fehl am Platz. Sie kann das eine tun, ohne das andere zu lassen. Natürlich ist es sinnvoll, sich auf den Zustrom weiterer Menschen vorzubereiten und rechtzeitig nach geeigneten Standorten für deren Unterbringung zu suchen. Gleichzeitig gilt es aber, nach „oben“ zu signalisieren, dass die Stadt – wie alle Städte und Gemeinden – die Grenzen der Belastbarkeit längst erreicht hat.

Was das Finanzielle betrifft, sind entsprechende Appelle schon zu hören: Die Kommunen wollen sich über ihre Abgeordneten an die Bundesregierung wenden, um eine deutlich spürbare Kostenbeteiligung des Bundes zu erreichen.

Wenn die Pflichtaufgabe der Unterbringung von Geflüchteten dazu führt, dass andere Pflichtaufgaben wie die Ausstattung von Schulen oder die Schaffung von Kindergartenplätzen nicht mehr erfüllt werden können, gibt es einen Fehler im System. Und an dieser Stelle ist die Bundespolitik klar gefordert. Ein weiteres Problem: Sollten die Kommunen eines Tages mit den Pflichtaufgaben finanziell einigermaßen über die Runden kommen, sind Freiwilligkeitsleistungen trotzdem noch nicht möglich. Für Kirchheim etwa bedeutet dies, dass der Traum vom eigenen Hallenbad in immer weitere Fernen rückt. An eine Kornhaus- oder gar Wachthaussanierung ist da noch weniger zu denken.

Unabhängig von den Finanzen kommen die Kommunen aber auch an ganz andere Grenzen: Die Flächen gehen aus, auf denen sie immer mehr Gebäude erstellen sollen, um ihre Pflicht zu erfüllen, für ein schwer prognostizierbares Quantum an zugewiesenen Menschen Wohnraum zu erstellen. Wenn das also zur Daueraufgabe wird, muss man nicht Kassandra heißen, um zu befürchten, dass auch die erhalten gebliebenen Grünflächen in Kirchheim eines Tages mit Unterkünften überbaut sein werden.

Der Appell an die Bundespolitik muss also lauten: Fluchtursachen mit allen Mitteln bekämpfen und dafür sorgen, dass die Menschen auch in ihrer Heimat ein Auskommen finden. Das wäre günstiger, effektiver und menschlicher als die Daueraufgabe „Wohnraum schaffen“.

Kommentar
von Andreas Volz
zur Schaffung von Unterkünften als Daueraufgabe