Heute sind Leute da, die senken den Altersdurchschnitt“, sagt Bastions-Mitglied Christian Kirschbauer und hält eine Überraschung parat: „Heute gibt es zwei Gäste für ein Eintrittsgeld.“ Der erste ist Nektarios Vlachopoulos, mehrfach ausgezeichneter Slam-Poet, Comedian und Kabarettist mit selbst erkennendem „griechischen Integrationshintergrund“, der bei seinem Vorstellungs-Intro singend klar macht: „Alle sind verrückt, alle außer mir.“
Bis 2008 verdiente er als Deutsch- und Englischlehrer seine Brötchen, und falls angesichts des Berufswechsels und Liedtextes Zweifel aufkommen sollten, hier seine Begründung: „Ich war des ollen Beamtentums überdrüssig.“ Als neue Herausforderung bewegt er lieber das Publikum zum Mitsingen. Gut gelaunt lobt Nektarios Vlachopoulos das Ambiente der Spielsituation: „Das erinnert mich ein bisschen an die Muppet-Show.“ Er freut sich über die Anzahl der Gäste und ist froh, dass es nicht ausverkauft ist. „Ausverkauft ist Kommerzkacke, mir ist wichtig, dass es ein cooler Geheimtipp bleibt.“ Auf die Anfrage der Bastion habe er einen Wunsch geäußert: „Ich hätte gerne 70 von den schönsten, gebildetsten und intelligentesten Zuschauenden, die Kirchheim zu bieten hat – und jetzt seid ihr hier, auch schön.“ Für kleines Geld auf sehr kleinen Kleinkunstbühnen zu spielen, dafür habe er sich mit seinen „literarischen Ansprüchen konsequent herunter gearbeitet“.
Im Comedy-Stand-Up-Modus listet er auf, was er in den Pandemiezeiten alles erlebt hat. Klopfte mangels Publikums bei den Zeugen Jehovas an, wurde aus Langeweile schlagartig internetsüchtig und freute sich über den UPS-Boten. Er mutierte zum Hobbybastler, weshalb er sich einen alten Röhrenfernseher ersteigerte: „Ein bisschen Goldlack, bisschen Glitzer, zack – Buchstütze!“ Danach ging es in die Lesecke, wo er seine Rezension über sein eigenes Programm „Das Problem sind die Leute“ zum Besten gab. Und darin ist Nektarios Vlachopoulos ein Meister seines Fachs. Sein sprachlich geschliffener Wortschatz ist immens, und sein Hang zur Selbstironie gefällt. Was mit einer narzisstischen, vor Selbstgefälligkeit und Dekadenz triefenden Lobeshymne beginnt und mit flotter Zunge und einem imaginären Haschpfeifchen zum unfeinen Verriss mutiert, endet mit einer Publikums-Beurteilung. Zwischendurch präsentiert er für die anwesende Jugend launige Raps, darunter den der „Rhabarber-Barbara-Bier-Bar“ und wünscht sich „mehr Schutz für die Klimakleber“.
Zügig, frech und ohne erkennbare Struktur, mäandert Nektarios Vlachopoulos in seinem Programm zwischen Popcorn und Philosophie. Haben einige „Gags“ kaum mehr Wirkung als Placebo – war summa summarum doch viel Gutes und Tiefgründiges dabei.
„Liebe Hoffnung, ich gebe dich nicht auf“, übernimmt Überraschungsgast Kai Bosch das Mikrofon. Er wollte schon in der ersten Klasse cool sein und hat damals schon „gedanklich gegendert“. Noch nie habe er was Mutiges gemacht, „ich war höchstens auf dem Oktoberfest, ohne Lederhose und ohne Alkohol, ja, ich war der Mutigste von allen.“ Etwa vor zehn Jahren wollte ein „wahnsinniger Junge“ bei einer Kabarettveranstaltung selber auftreten, so Kai Bosch. „Ich hatte kein Selbstvertrauen, und mein bester Reim war: Ich geh ab – so wie Autolack“. Kaum auf der Bühne, ist der 25-jährige Künstler, Workshopleiter und Inklusionsbotschafter aus Backnang auf seine Art ein Menschenfänger. „Seit meiner Geburt 1997 Stotternder und Tetra-Spastiker“, steht auf der Homepage von Kai Bosch. Mittlerweile hat der Student mehr als 350 Auftritte hinter sich. Nun kennt man ihn auch in der Bastion.