Pandemie
Corona-Rückblick: Als plötzlich die Furcht regierte

Vor fünf Jahren begann mit dem ersten Lockdown die Zeit der Corona-Einschränkungen in Deutschland. Rückblick auf einen Frühling, in dem auf einmal nichts mehr war wie zuvor.

Eine Mitarbeiterin des Corona-Abstrichzentrums (CAZ) auf den Fildern testet Patienten. Archivfoto: Ines Rudel

Noch bevor die Corona-Pandemie am 11. März 2020 offiziell ausgerufen wird, sorgen 15 deutsche China-Heimkehrer am 22. Februar in Kirchheim für Schlagzeilen. Sie haben sich an jenem Ort aufgehalten, den man noch Jahre später mit dem Coronavirus verbinden wird: In der chinesischen Provinz Hubei, deren Hauptstadt Wuhan ist. Nach ihrer Ankunft am Flughafen in Echterdingen werden sie vorsichtshalber im Ateck-Hotel in Kirchheim untergebracht. Zwei Wochen lang bleiben die Deutschen in einem isolierten Bereich, bis fest steht, dass sich keiner mit dem Coronavirus infiziert hat. Versorgt werden sie in dieser Zeit vom Deutschen Roten Kreuz (DRK).

15 deutsche Staatsangehörige, die sich in der betroffenen Provinz Hubei in China aufgehalten haben, kommen vorerst im Ateck-Hotel in Kirchheim unter. Archivfoto: Carsten Riedl

Anfang März hat das Coronavirus auch den Landkreis Esslingen erreicht. Fünf Personen aus Esslingen und Filderstadt haben sich zu diesem Zeitpunkt infiziert, drei von ihnen mutmaßlich im Skiurlaub in Südtirol. Bei einer Pressekonferenz im Landratsamt werden die Fälle bekanntgegeben. Als erste Maßnahme richtet der Kreis in Nürtingen und auf dem Messegelände zwei Abstrichzentren (CAZ) ein. Ziel ist es, die Diagnostik aus den Kliniken und Arztpraxen herauszuhalten. In den folgenden Wochen wird die Versorgungsinfrastruktur um Corona-Schwerpunktpraxen und Fieber-Ambulanzen ergänzt.

In den ersten beiden Märzwochen stellen die Sportvereine rund um die Teck nach und nach den Trainingsbetrieb ein. „Lieber jetzt einen klaren Schnitt, als hinterher nicht mit den Folgen klarkommen“, sagt Doris Imrich, Vorsitzende des VfL Kirchheim. Auch im Kulturbereich wird alles auf Eis gelegt. Mitte März verkündet Gastronom Michael Holz, dass die für den 23. Mai geplante Musiknacht verschoben wird.

Während in der besonders schwer getroffenen italienischen Provinz Bergamo mit Leichen beladene Militärlaster durch die Straßen rollen, bereitet man sich Mitte März auch in den Medius-Kliniken auf das Schlimmste vor. Um Patienten und Mitarbeiter zu schützen, dürfen Angehörige nur noch im Ausnahmefall zu Besuch kommen. Planbare Operationen werden verschoben, um Platz für die Corona-Patienten zu schaffen. Noch ist relative Ruhe vor dem befürchteten Sturm. Nur vier Corona-Patienten werden in der Klinik behandelt, keiner ist in einem kritischen Zustand. Die Intensivstationen sind nicht an der Kapazitätsgrenze. „Derzeit ist die Belegung wie auch sonst zu dieser Jahreszeit. Wir bereiten uns aber auf eine höhere Belegung vor“, sagt Professor Dr. Bernhard Hellmich, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Rheumatologie und Immunologie.

Ab dem 17. März bleiben Schulen wie das Ludwig-Uhland-Gymnasium geschlossen. Archivfoto: Markus Brändli

Für die Kinder in Kirchheim und Umgebung heißt es ab dem 17. März: zuhause bleiben. Die Landesregierung hat diese Maßnahme beschlossen, um die Verbreitung des Coronavirus zu bremsen. Schulen und Kindergärten werden bis Ende der Osterferien geschlossen, Homeschooling soll den Unterricht zumindest in Teilen ersetzen. Für Kinder, deren Eltern in sogenannten „systemrelevanten Berufen“ arbeiten, gibt es eine Notbetreuung. Spielplätze werden gesperrt, der Kontakt zu anderen Kindern verboten.

Ab dem 17. März steht in Baden-Württemberg das öffentliche Leben still. Treffen sind nur noch innerhalb des eigenen Hausstands erlaubt. Pflegeheime werden abgeriegelt. Nur noch wenige Geschäfte dürfen offen bleiben, Restaurants, Bars, Friseurgeschäfte, Kinos und Theater müssen schließen.

Anfang April sind im Landkreis Esslingen schon 23 Menschen an den Folgen der Infektion mit dem Coronavirus gestorben. Sieben Pflegeheim-Bewohner im Landkreis sind zu diesem Zeitpunkt positiv getestet und isoliert. Weil weiterhin nicht absehbar ist, wie dramatisch die Lage noch wird, planen die Medius-Kliniken ein Corona-Notkrankenhaus für 300 Patienten in Halle 9 der Fildermesse. Die Planungen werden später aus wirtschaftlichen Gründen beerdigt.. Die Zahl der Beatmungsplätze in den drei Krankenhäusern des Landkreises ist von 29 auf 54 erhöht worden. Die Versorgung mit Schutzausrüstung bleibt ein Problem.

Ab dem 20. April darf in der Kirchheimer Fußgängerzone wieder gebummelt werden. Archivfoto: Carsten Riedl

Ab dem 20. April werden die Vorsichtsmaßnahmen nach fünf Wochen wieder vorsichtig gelockert. 800 Menschen im Landkreis Esslingen haben die Covid-Erkrankung zu diesem Zeitpunkt überstanden. Im Einzelhandel dürfen die meisten Geschäfte wieder öffnen, aber natürlich nur mit Hygienekonzept. Speisewirtschaften müssen sich noch bis Mitte Mai gedulden, Schankbetriebe sogar bis Anfang Juni.

Ab dem 23. April tritt in Kirchheim eine Maskenpflicht in Kraft. Die OP- oder gar FFP-2-Masken, die in den kommenden Jahren zum Standard werden, sind zu diesem Zeitpunkt noch so rar, dass die meisten auf Stoff-Masken zurückgreifen.

Der Lockdown zeigt Wirkung: Anfang Mai entspannt sich die Corona-Lage. Die Zahl der infizierten Patienten in den Medius-Kliniken geht zurück. Nur noch 27 Erkrankte müssen zu diesem Zeitpunkt stationär versorgt werden, acht hängen an Beatmungsgeräten. In den anderen Kliniken im Landkreis sieht es ähnlich aus. Planbare Eingriffe werden – auch aus wirtschaftlichen Gründen – wieder aufgenommen.

Maskenpflicht auf Schwäbisch. Archivfoto: Jean-Luc Jacques

Ab dem 4. Mai darf an den weiterführenden Schulen in und um Kirchheim wieder unterrichtet werden. Hände desinfizieren ist Pflicht, der Unterricht findet in kleinen Gruppen statt, um die Kontakte überschaubar zu halten. Eine flächendeckende Maskenpflicht, die auch im Unterricht gilt, gibt es für die Schüler noch nicht. Die Grundschülerinnen und Grundschüler müssen sich zu diesem Zeitpunkt noch gedulden: Wenigstens die Viertklässler dürfen ab dem 18. Mai wieder zur Schule gehen.