Kirchheim. Wie ein Kriegszustand empfindet Sedat Aybulut die aktuelle Lage. Der Besitzer des Kirchheimer Nachtclubs „Edison“ sieht in der Innenstadt nur noch leere Gassen. In ihm kommen Kindheitserinnerungen hoch. Erinnerungen an die 70er-Jahre in der Türkei, als er noch ein Kind war und die damaligen bürgerkriegsähnlichen Zustände Ausgangssperren mit sich brachten.
Dass das Coronavirus zum Problem werden könnte, hatte Sedat Aybulut bereits vermutet. Dass es aber solch immense Auswirkungen auf den Alltag und das Nachtleben haben wird, konnte er sich nicht vorstellen. „BSE, die Vogelgrippe - das alles kam und ging. Doch die aktuelle Lage schockiert mich“, sagt er. Als der Gastronom das Ausmaß erkannte, beschloss er, dass er seine Kunden keinem Risiko aussetzten will. Kurz darauf kam auch schon die Verordnung der Landesregierung, für die Sedat Aybulut Verständnis zeigt: „Mit Menschenleben spielt man schließlich nicht“, sagt er. Für ihn ist die neue Situation jedenfalls ungewohnt: „Es ist ein komisches Gefühl. Ich habe plötzlich gar nichts mehr zu tun.“
Seit 20 Jahren ist Sedat Aybulut schon Clubbesitzer. Im Jahr 2000 begann alles mit dem Kultschuppen „Pipers“ am Postplatz. Darauf folgte die Ära des Clubs „Magellan“ neben dem Amtsgericht, anschließend das „Ochsengässle“. Ende 2018 kehrte Sedat Aybulut an den Postplatz zurück und eröffnete das „Edison“ - dort, wo früher das „Pipers“ war.
Seine junge Kundschaft reagierte zum großen Teil verständnisvoll. „Natürlich gab es aber auch ein paar, die enttäuscht waren. Vielleicht kapieren es die jungen Leute aber noch nicht so ganz“, erzählt Sedat Aybulut. Auch seine Mitarbeiter verstehen die Situation - obwohl ihnen der Stundenlohn fehlt.
Noch schlimmer trifft es aber Sedat Aybulut selbst. Das „Edison“ ist derzeit sein einziges Standbein. Vom einen auf den anderen Tag entfallen nun sämtliche Einnahmen. Immerhin hat der türkische Schwabe noch ein finanzielles Polster, doch das wird nicht ewig reichen. Sedat Aybulut fühlt sich allein gelassen. Sein Steuerberater hat ihm erklärt, dass er Sozialhilfe beantragen muss, wenn die Politik nicht leistet, was sie versprochen hat. „Der Staat muss so schnell wie möglich einschreiten“, appelliert der Kirchheimer Gastronom. Er hat Angst, denn er weiß nicht, was auf ihn zukommen wird. Doch noch gibt er sich kämpferisch: „Das steh‘ ich auch noch durch“, sagt der Nachtclubbesitzer tapfer. Er hofft, dass in zwei bis drei Monaten die Krise überstanden ist und er das „Edison“ wieder für seine feierwütige Kundschaft öffnen kann. Katharina Daiss