Kirchheim
Countdown zum „G9-Gesetz“ läuft

Bildung Mehr Zeit auf dem Weg zum Abi: Das ist das Ziel des Volksantrags zum neunjährigen Gymnasium. Den Initiatorinnen droht die Zeit davonzulaufen, denn aktuell fehlen landesweit rund 12 000 Unterschriften. Von Antje Dörr

Am Stand der Initiative zum Volksantrag „G9-Gesetz“ gehen die Formblätter weg wie warme Semmeln. „Wir haben schon nachkopieren müssen“, sagt Elke Schepp, die die Unterschriftensammlung im Raum Kirchheim koordiniert. Rund 120 Unterschriften sind bis 11 Uhr zusammengekommen. Vielen, die am Stand stehen, um ein Formblatt auszufüllen, muss man gar nicht mehr erklären, was das Ziel dieser Aktion ist: Bis zum 13. November 39 000 Unterschriften sammeln, damit sich der Landtag von Baden-Württemberg mit der Wiedereinführung von G9 als Regelweg am Gymnasium befassen muss. 

Am 13. November ist Schluss

Die Zeit rennt. Weil aktuell noch 12 000 Unterschriften fehlen, hat die Initiative die Aktivitäten in ganz Baden-Württemberg massiv hochgefahren. „Das wird ’ne knappe Kiste, aber wir schaffen das“, sagt Elke Schepp, die mit drei weiteren Frauen den Stand betreut. Unter ihnen ist auch die Vorsitzende des Kirchheimer Gesamtelternbeirats, Stefanie Rau. Dass rund sechs Wochen vor Ablauf der Frist noch so viele Unterschriften fehlen, schiebt Elke Schepp  auf die hohen Hürden für den Volksantrag. Jedes Formblatt muss auf dem Rathaus des jeweiligen Unterstützers beglaubigt werden. Um den Unterschreibenden diese Arbeit abzunehmen, sammelt Schepp die Formblätter, bringt sie auf den Rathäusern vorbei und schickt sie anschließend zur Initiative. Mit der Unterstützung durch die Verwaltungen ist sie sehr zufrieden. „Das läuft wirklich super“, sagt sie.

Am Samstag, 23. September, ist die Initiative erneut in der Fußgängerzone beim Kirchheimer Rathaus präsent. Aber auch abseits der Straße wird fleißig getrommelt. „Letzte Woche Sonntag waren wir auf dem Garagenflohmarkt in der Ötlinger Halde und haben im Zwei-Minuten-Takt die Formblätter in die Box geworfen“, nennt Elke Schepp nur ein Beispiel. Eltern nehmen stapelweise Formulare mit in ihre Sportgruppen, Schulen, Kindergärten, Chorproben, zu Kleiderbasaren oder Dorffesten. „Die Kreativität und Tatkraft der mittlerweile knapp 60 Mitglieder starken Whatsapp-Gruppe ‚Countdown Volksantrag G9‘ ist überwältigend“, sagt Schepp. Sammelboxen stehen bei „MetzgerZehn“, der Buchhandlung Zimmermann und in der Stiftsscheuer. Die Formblätter können unbestätigt eingeworfen werden.

Andreas Schwarz „noch nicht festgelegt“

Einer, der großen Einfluss darauf haben wird, ob G9 wieder eingeführt wird oder nicht, ist der Fraktionsvorsitzende der Grünen und Kirchheimer Abgeordnete Andreas Schwarz. Anders als sein Chef und Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der sich selbst als entschiedenen Gegner einer Abkehr von G8 bezeichnet hat, erklärt Schwarz, er sei in der Frage „noch nicht festgelegt“. Er wolle diese Frage im Lichte des Ergebnisses des Bürgerforums, an dem auch Experten aus der Bildungspolitik und Wissenschaft teilnehmen, entscheiden, sagt er auf Anfrage. „Eine Umstellung auf G9 würde zu einem weiteren Bedarf an rund 1400 Deputaten führen und erhebliche Veränderungen in der Schullandschaft für die kommunalen Schulträger mit sich bringen, unter anderem weiteren Raumbedarf an den Gymnasien“, sagt Schwarz. In der Bildungspolitik stehe für ihn die Stärkung der Grundschulen im Vordergrund.

„Die CDU ist offen gegenüber einer Rückkehr zu G9“, sagt hingegen die Kirchheimer Landtagsabgeordnete Dr. Natalie Pfau-Weller. Ihre Partei sehe den Veränderungswunsch bei der Aufstellung der Gymnasien. „Ohne eine Steuerungsmöglichkeit der Schülerzahlen kann der Lehrkräfte- und Raumbedarf jedoch kaum gesteuert werden“, so die Christdemokratin. „Uns geht es jetzt darum, dafür zu arbeiten, dass wir den besten Weg finden und Baden-Würt­temberg als Bildungsland wieder stärken.“

Beim SPD-Landtagsabgeordneten Andreas Kenner überwiegt die Skepsis gegenüber einer flächendeckenden Wiedereinführung von G9, die hohe Kos­ten für die Kommunen mit sich bringen und mehr Lehrkräfte erfordern würde. Darüber hinaus halte er als Person ohne Abi­tur nicht viel davon, „dass wir den Eltern und Kindern vermitteln, dass der gymnasiale Weg der einzig richtige und glücklich machende ist“. Es gebe ganz viele interessante und gut bezahlte Ausbildungsberufe, die ohne Abitur erlernt werden könnten.