Wenn die Hose oder der Pullover nicht mehr passt oder gefällt, heißt es: ab in den Kleidercontainer. Was dem einen nicht mehr lieb ist, kann anderen Menschen schließlich durchaus noch teuer sein – auch oder gerade, wenn es kostenlos ist. Doch was, wenn Textilien und Kleidungsstücke löchrig, zerschlissen oder unrettbar verschmutzt sind? Die Restmülltonne ist seit 1. Januar keine Lösung mehr, wenn man Meldungen vereinzelter Medien glaubt. Mit Jahresbeginn ist eine neue EU-Richtlinie zum Umgang mit Alttextilien in Kraft getreten, die verhindern will, dass Stoffe, die zu Dämmmaterial oder Putzlappen verarbeitet werden könnten, einfach im Müll landen.
Der Haken daran: Die Meldung ist nicht nur falsch, sie bringt karitative Einrichtungen, die brauchbare Kleidung in Containern sammeln, massiv in Bedrängnis. Die fürchten nun eine Flut von textilen Abfällen, die bisher als Restmüll verbrannt wurden und die nun aussortiert und selbst entsorgt werden müssen. Die Crux an der Sache: Eine Getrenntsammlung gibt es bisher nicht. Die wäre eigentlich Aufgabe von Landkreisen und Kommunen, vorausgesetzt ein Kreislaufwirtschaftsgesetz würde auch diesen Bereich von Rohstoffen regeln. Tut es aber nicht.
„Eine ernsthafte Gefahr für ein funktionierendes System.
Thomas Ahlmann, Sprecher von Fair Wertung über die Auslegung der neuen EU-Richtlinie zur Trennung von Alttextilien.
Aus gutem Grund. „Die dafür nötigen Recyclingverfahren gibt es noch gar nicht“, sagt Thomas Ahlmann, Sprecher von Fair Wertung, die als Dachorganisation bundesweit rund 150 gemeinnützige Kleidersammler vertritt. Darunter auch die im Kirchheimer Stadtgebiet tätige „Aktion Hoffnung“ der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Die neue EU-Richtlinie – gut gemeint, aber schlecht verkauft. Fakt ist: Mit Strafe muss niemand rechnen, der unbrauchbare Kleidung weiterhin im Restmüll entsorgt. „Solange die Voraussetzungen dafür nicht geschaffen sind, bleibt die Umsetzung der Richtlinie ein übergeordnetes Ziel“, sagt Thomas Ahlmann. Ein aus seiner Sicht durchaus unterstützenswertes und sinnvolles – aber eben Zukunftsmusik.
Recycelte Textilien finden bei der Herstellung neuer Kleidung bis heute kaum Verwendung. Erschwert wird sinnvolles Recycling zudem durch die wachsende Flut an Billig-Klamotten – so genannter Fast Fashion –, die einen hohen Anteil an minderwertigen Kunstfasern aufweist und immer kurzlebiger wird. Ahlmanns Forderung: Solange es keine erweiterte Produktverantwortung auch im Textilbereich gebe, mit der die Hersteller an den Entsorgungskosten beteiligt würden, müssten Sammelorganisationen für die Trennung nicht recycelbarer Textilien finanziell entschädigt werden. Die seit 1. Januar geltende Richtlinie, und wie sie derzeit kommuniziert und ausgelegt werde, sei eine „ernsthafte Gefahr für ein funktionierendes Sammelsystem in Deutschland“.
Mit Altkleidern lässt sich kein Geld mehr verdienen
Mehr als 400 Sammelstellen und Container für Altkleider gibt es allein im Kreis Esslingen. Ein Teil geben karitative Einrichtungen als Secondhand-Ware an Bedürftige weiter, der Großteil landet auf dem internationalen Markt. Die Erlöse decken die Kosten für Sammlung und Trennung allerdings kaum noch. „Der Markt ist vielerorts zusammengebrochen“, sagt Michael Potthast, Chef im Esslinger Abfallwirtschaftsbetrieb. „Geld lässt sich mit Altkleidern eigentlich nicht mehr verdienen.“
Immer mehr Verwerter würden ihre Verträge mit karitativen Einrichtungen daher kündigen. „Bisher funktioniert dieses System noch“, sagt Potthast, der für den Landkreis als öffentlich-rechtlicher Entsorger im Moment keinen Handlungsbedarf sieht. „Erst wenn die etablierten Systeme nicht mehr funktionieren, würden wir ein Sammelsystem für den gesamten Landkreis aufbauen.“
Deutschland ist Europameister im Sammeln von abgelegten Kleidungsstücken. Von den 3,4 Millionen Tonnen an Alttextilien, die europaweit jährlich eingesammelt werden, stammt eine Million allein aus Deutschland. bk