Leo Lyons lacht. Nein, meint er freundlich, es nerve ihn keineswegs, immer noch auf das Thema „Ten Years After“ angesprochen zu werden. „Es war ein ziemlich großer und wichtiger Teil meines Lebens, der einfach zu mir gehört.“ Zusammen mit dem Ausnahme-Gitarristen Alvin Lee hat der Bassist ein Stück Rockgeschichte geschrieben. Der Woodstock-Auftritt 1969 ist Legende und katapultierte die Band in die Topliga der Blues-Rock-Formationen. Ein Woodstock-Original wie Leo Lyons trifft man nun wirklich nicht alle Tage.
Aber jetzt ist der fast 75-jährige Basser mit seiner Band „Seventy Hundred Split“ in der Bastion zu Gast. Da steckt natürlich auch eine Menge „Ten Years After“ drin. Gitarrist und Sänger Joe Gooch trat 2003 bei der Reunion der Ur-Mitglieder an die Stelle von Alvin Lee, der keinen Bock hatte. In diese Fußstapfen muss man sich als Gitarrist erst mal trauen. 2013 dann die Trennung von „Ten Years After“, zusammen mit Schlagzeuger Damon Sawyer wollten sich Leo und Joe nur noch auf ihr Trio „Seventy Hundred Split“ konzentrieren. So viel zur Vita der Band.
Da stehen sie nun auf der Bühne der Bastion und legen einfach los, keine vorherige Zuschauerbespaßung, kraftvoller Boogie-Rock, der auch von ZZ Top kommen könnte. Den vollen Club haben sie sofort auf ihrer Seite, alle wippen mit, sind begeistert. Logisch, dass sie auch „Ten Years After“-Stücke spielen: „Good Morning Little Schoolgirl“, „Love Like A Man“ und natürlich „Goin‘ Home“ - das Stück, das Generationen von ambitionierten Nachwuchsgitarristen zur Verzweiflung gebracht hat. Alvin Lee war halt sauschnell auf seinem Instrument. Und Joe Gooch? Unfassbar. Er spielt die Soli mit Lichtgeschwindigkeit, bleibt dabei eine völlig coole Socke, fast introvertiert, als ob es nichts wäre.
Schlagzeuger Damon Sawyer und Leo Lyons liefern das perfekte Gerüst dazu. Leo ist nach wie vor ein Weltklasse-Bassist, gerne bemüht man da schon mal die Schablone „Altmeister“. Aber offen gestanden: das klingt wie „rüstiger Rentner auf der Bühne“ und das ist Lyons ganz sicher nicht. Auf seinem Instrument ist er quirlig wie eh und je, mit perfekter Technik und viel Gespür für das Zusammenspiel. Die drei rocken die Bastion.
Bei einem Bluesrock-Trio prägt natürlich der Gitarrist den Sound. Mit dem typisch kristallinen Klang der Fender Stratocaster legt Joe Gooch satte Riffs, wechselt in filigrane Solopassagen, um dann wieder rhythmisch voranzutreiben. Da steckt auch eine ganze Menge Jimi Hendrix drin - hat es den Anschein. Im Gespräch nach dem Konzert bestätigt Joe Gooch diesen Eindruck. „Jimi war der erste Gitarrist, der mich interessiert und bis heute beeinflusst hat.“
Würden „Ten Years After“ heute so klingen? „Ich glaube schon“, nickt Leo Lyons, „ich startete mit Alvin (Lee) und habe es dann mit Joe fortgeführt.“ Es sei derselbe Geist, dieselbe Energie und das gleiche Feuer in ihnen. „Wir haben uns weiterentwickelt, spielen aber die Songs von „Ten Years After“ immer noch mit Begeisterung.“
Die drei sind wirklich gut im Geschäft. Auf die Frage nach der Zahl der Auftritte schaut Leo Lyons auf seinen Kalender: 27 im Oktober - konditionell anspruchsvoll.
Nächstes Jahr haben die drei etwas Besonderes vor: Sie wollen den originalen Woodstock-Set auf die Bühne bringen, zum 50-jährigen Jubiläum des Kult-Festivals. Problem: es gibt keine Aufzeichnung, da damals die Kameras ausgefallen waren. Nur der Schluss-Song „Goin‘ Home“ ist dokumentiert. „Aber ich weiß noch genau, was wir gespielt haben“, meint Leo Lyons schmunzelnd. Auch, dass es damals aus Kübeln schüttete und wegen der hohen Luftfeuchtigkeit die Gitarren ständig verstimmt waren. Memories halt.