Der ehemalige Unternehmer leidet an Demenz, seine Geschäfte hat er zu aktiven Zeiten nicht mehr abschließen können. Obendrein liegt sein Sohn mit dem kranken Vater im Streit, die geschiedene Ehefrau hat auch noch Forderungen. Das Lebenschaos spiegelt sich auch im verlassenen Haus wider. „Sie gehen in sein schmuckes Einfamilienhaus und kommen kaum die Treppe hoch, weil alles voll steht“, erzählt der Kirchheimer Anwalt Rolf-Rüdiger Most.
Er hat diesen Fall vor einem Jahr in seiner Funktion als Betreuer übernommen und wahrscheinlich mehr als 100 Stunden dafür aufgewendet. Most musste Geschäftsunterlagen zusammensuchen, Steuererklärungen nachreichen und Geschäftsimmobilien der mittlerweile insolventen Firma verkaufen. „Der Fall ist lange noch nicht abgeschlossen“, sagt er. Ohne seine Jurakenntnisse wäre er damit heillos überfordert.
Der Kirchheimer Landtagsabgeordnete Andreas Schwarz von den Grünen ist mit seinen Kollegen Andreas Kenner (SPD) und Karl Zimmermann (CDU) gekommen, um sich solche Probleme der in Teilzeit und Vollzeit arbeitenden Berufsbetreuer anzuhören. Schwarz schlägt vor, Stundensätze für Ehrenamtliche und Berufsbetreuer dem Aufwand anzupassen. Denn darum geht es an diesem Nachmittag beim Treffen der Ortsgruppe Kirchheim des Bundesverbands der Berufsbetreuer: Sie fordern eine angemessenere Bezahlung, mehr Anerkennung und eine stärkere Professionalisierung. Bislang gibt es keine geregelte Ausbildung.
Die Anwesenden ärgern sich vor allem über die Geringschätzung ihres Berufsstands. „Das Gesetz geht davon aus, dass derjenige, der seine eigenen Angelegenheiten regeln kann, dies grundsätzlich auch für andere zu leisten vermag“, liest eine Teilnehmerin ein Zitat der Frühjahrskonferenz der Justizminister vor. Übersetzt heißt das: Betreuer kann im Prinzip jede und jeder werden, egal mit welcher Vorbildung.
Das sehen die Betroffenen anders, und auch die Landespolitiker stimmen zu. „Die Fälle werden komplexer“, sagt Andreas Schwarz und Karl Zimmermann kündigt an, dass die gesetzlich festgelegten Stundensätze für Betreuer von derzeit 27 bis 44 Euro erhöht werden. „Da ist von 25 Prozent die Rede“, sagt er der Runde. Außerdem nehmen die Politiker mit, dass der Zugang zu diesem Beruf reglementiert und eine Art Ausbildung geschaffen werden soll. Andrea Schwin-Haumesser vom Bundesverband der Berufsbetreuer hat einen Kriterienkatalog vorbereitet.
Dass Betreuer mehr leisten als Formulare auszufüllen oder Gebühren zu bezahlen, weiß auch Martina Gunzenhauser-Köber aus 20-jähriger Praxiserfahrung. Rund 40 Fälle betreut sie aktuell. „Das sind so viele wie nie, aber die brauche ich, um wirtschaftlich arbeiten zu können“, sagt sie. Bei jedem ihrer Kunden gehe es darum, ein persönliches Verhältnis aufzubauen, erklärt die Sozialarbeiterin. Man müsse oft abwägen, was das Beste für den Betreuten sei. Ein Beispiel seien die Wohnbedingungen. „Wenn es derjenige so haben will und keine Gefährdung vorliegt, zählt, was er will, nicht was ich denke oder mir angemessen erscheint.“ Auch ihre Fälle sind oftmals komplex, zwischen medizinischen Dingen und Behörden muss sie viele Entscheidungen treffen. Dadurch hat sie sich auch rechtliches Wissen erworben. Pro Person kann Martina Gunzenhauser-Köber je nach deren Lebenssituation zwischen 2,5 und 4,5 Stunden im Monat abrechnen. „Das ist zu wenig“, sagt sie.
Es gibt auch Positives an diesem Abend: Als Betreuer habe man ein gewisses Maß an Freiheit und kann Erfüllung finden, weil man Menschen wirklich helfe, betont ein weiterer Teilnehmer der Kirchheimer Runde. Die Arbeit sei ein „Sechser im Lotto“, sagt er, meint damit aber ganz ausdrücklich nicht die finanziellen Rahmenbedingungen.