Die Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg stehen vor enormen Herausforderungen. Fachkräftemangel, Flüchtlingsunterbringung, fehlende Kita-Plätze, die Sanierung maroder Infrastruktur, fehlender Wohnraum – das sind nur einige Schlagworte, die umreißen sollen, womit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Rathäusern tagtäglich zu kämpfen haben. Das Land Baden-Württemberg unterstützt seine Kommunen im Jahr 2023 mit 19,7 Milliarden Euro, das sind 23 Prozent der Steuermittel, die das Land erhält. Darauf ist Andreas Schwarz, der zum Austausch mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern in die Bernhardskapelle nach Owen geladen hat, stolz. „In Bayern sind es nur zwölf Prozent“, sagt der Fraktionsvorsitzende der Grünen.
Allerdings – und das weiß auch Finanzminister Dr. Danyal Bayaz, der mit Schwarz in die Bernhardskapelle gekommen ist, bevor er einen weiteren Stopp im Kirchheimer Schloss einlegt – ist „Geld allein nicht das zentrale Problem“, auch wenn es helfen könne, Herausforderungen anzugehen. Was die Kommunen in ihrer alltäglichen Arbeit behindert, ist vor allem die „Gesetzesflut“, wie Schwarz es formuliert. Wie wichtig weniger Bürokratie wäre, das belegt die Owener Rathauschefin Verena Grötzinger, die stellvertretend für die rund zehn Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in einem Pressegespräch für Fragen zur Verfügung steht, mit einem Beispiel. Nur zu gerne würde sie in ihren städtischen Kitas dringend benötigtes, zusätzliches Personal einstellen. Kandidaten gibt es sogar: Es stünden Menschen bereit, die teilweise schon seit Jahren im pädagogischen Bereich tätig sind. „Aber wir dürfen sie nicht beschäftigen, weil die Anerkennung als Erzieherin fehlt“, ärgert sich die Bürgermeisterin und ergänzt: „Wenn man den Verantwortlichen an der Basis zutrauen würde, einzuschätzen, wie sie sich mit Qualität um Kinder kümmern, dann könnten wir dem Fachkräftemangel ein klein wenig entgegenwirken.“
Bei solchen Beispielen kann auch Danyal Bayaz, der das Gespräch mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern als wichtigen „Reality Check“ bezeichnet, nur den Kopf schütteln. „Wir sind an einem Punkt, an dem wir uns nicht mehr nur über Bürokratie ärgern dürfen. Der Hebel muss umgelegt werden“, sagt er. Was bei den Zulassungsverfahren für Windräder durch die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens schon gelungen ist, soll auch in Bereichen wie Schule, Bildung und Infrastruktur möglich werden. Um herauszufinden, wo bürokratische Hürden abgebaut werden können, haben die Landesregierung, die Kommunalen Landesverbände und die Wirtschafts- und Finanzverbände im Juli laut Andreas Schwarz eine sogenannte „Entlastungsallianz“ für Baden-Württemberg gegründet. „Wo behindern Regeln? Wo übersteigt der Aufwand den Nutzen?“ Das sind zwei Fragen, die die Allianz sich stellen soll.
Mehr Schnelligkeit und Flexibilität erhoffen sich die Grünen-Politiker aber auch dadurch, dass das Land den Kommunen mehr Ermessensspielraum einräumt, beispielsweise, wenn es um den Betrieb und die Gruppengröße von Kitas geht. Generell gibt Bayaz die Parole aus: Weniger Kontrolle von oben, mehr Zutrauen in die Fähigkeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kommunen. „Wir wollen Menschen in der Verwaltung empowern, mit Regeln pragmatisch umzugehen“, sagt er. Manchmal gehe dann auch Schnelligkeit vor Präzision. „Um das leben zu können, brauchen wir aber eine positive Fehlerkultur in der Gesellschaft“, sagt er.