Sie trägt einen nicht unbekannten Namen: Ihr Vater Hans-Magnus Enzensberger ist eine ganz große Nummer im literarischen Leben der Bundesrepublik. Alle Stilepochen hat er als Autor initiiert oder mitgemacht, von linker Sozialkritik über den „Tod der Literatur“ bis zur neuen Innerlichkeit.
Kinder solcher Eltern haben es schwer, wenn sie sich im gleichen oder ähnlichen Genre bewegen. Tochter Theresia hat Filmwissenschaft studiert und als freie Journalistin für große Blätter geschrieben. 2014 gründete sie das preisgekrönte Block-Magazin. Nun hat sie, Anfang dreißig, ihren ersten Roman „Blaupause“ veröffentlicht und ist damit endgültig aus dem Schatten ihres Vaters getreten, wie die Geschäftsführerin der Buchhandlung Zimmermann Sibylle Mockler bei der Begrüßung feststellte.
Enzensberger schlüpft in ihrem Roman in die Rolle einer Luise Schilling, der wohlbehüteten Tochter aus einer jüdischen Unternehmerfamilie in Berlin. Schilling will unbedingt in Weimar Architektur studieren, im „Bauhaus“, dieser zukunftsweisenden Ausbildungsstätte. Die Autorin las in Kirchheim das Anfangskapitel, in dem Luise dem Großmeister der Architekten, Gropius, ihre Bewerbungsmappe vorlegt und eine „zögerliche Zustimmung“ erreicht. Als Studentin erkennt sie, dass es eine Gruppe um den Künstler Johannes Itten gibt, die mit ihrer Kuttenkleidung und ihren „Gebräuchen, Turnereinen und Diäten“ das Studentenleben dominieren.
Luise lernt bald eine weitere Lebensform einiger Bauhausstudenten kennen. Sie treffen sich im „Tempelherrenhaus“, einem Atelier, das gleichzeitig auch Raum für Treffen mit „geistreichen Bonmots und witzigen Plaudereien“ ist, getränkt mit reichlich Alkohol. Man kommt sich näher. Die Vorkursarbeiten werden den Professoren zur Begutachtung vorgestellt. Luise legt eine fragile Holzkonstruktion vor, die allgemein Anerkennung findet, außer bei Prüfer Johannes Itten. Er äußert sich frauenfeindlich: Frauen hätten „Defizite im dreidimensionalen Sehen“. Er empfiehlt ihr, in die Textilwerkstatt zu gehen und den Plan, Architektin zu werden, aufzugeben. Drei Jahre später hat ihr Vater Luises Geldmittel gestrichen und sie auf eine Haushaltsschule geschickt. Sie bildet sich privat weiter und taucht 1924 in Dessau auf.
Mit diesem Abschnitt beendete Theresia Enzensberger ihre Lesung. Man merkt ihr an, dass der Rollenwechsel von der Journalistin zur Autorin noch etwas schwerfällt. Zusätzlich durch eine Erkältung geplagt, bleibt sie insgesamt zu zurückhaltend und bescheiden. Schade, denn der Roman hat es verdient, vermarktet zu werden.
Er ist ein Manifest fraulicher Emanzipation. Er bietet mit der Ich-Perspektive Lebendigkeit und durch erzählerische Kniffe trotzdem Einblick in die Bauhausgeschichte und in die Zeitgeschichte mit ihren verschiedenen politischen und religiösen Tendenzen. Man kann dem Großkritiker Dennis Scheck zustimmen: „Dieser Roman ist ein Lesevergnügen und ein Bildungserlebnis.“
Der Buchhandlung Zimmermann bleibt das Verdienst, mit dem Engagement Theresia Enzensbergers Pionierarbeit geleistet zu haben - auch wenn ungewohnterweise diesmal ein paar Plätze freiblieben.