Kirchheim
Das E-Rezept schwächelt noch

Gesundheit Das bisherige rosafarbene Papierrezept vom Arzt hat ausgedient. Doch wie läuft es mit der digitalen Pflicht-Alternative nach gut einem Monat im Alltagsbetrieb? Von Cornelia Wahl

Das Auslesen des E-Rezepts über die elektronische Gesundheitskarte hält Dr. Heike Pfäffle-Planck, Inhaberin der Pinguin-Apotheke in Kirchheim, für eine praktische Entwicklung. Foto: Cornelia Wahl

Wer seit 1. Januar dieses Jahres vom Doktor ein Rezept ausgestellt bekommt, hält nichts mehr in Händen. Die Verordnung der Arznei erfolgt für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung nun unsichtbar digital. Der stellvertretende Vorsitzende der Ärzteschaft Nürtingen, Dr. Jochen Maier, zieht für seine Gemeinschaftspraxis nach sechs Wochen eine „gemischte, eher noch negative Bilanz“. Es gebe noch viel Bedarf an Feinjus­tierung etwa bei den EDV-Abläufen und der Technik. Er berichtet von Totalausfällen wegen praxisinterner Datenbankproblemen und Störungen der Telematik. Auch sei der Signaturvorgang des E-Rezepts trotz Komfortsignatur zu langsam. Probleme mache auch, dass die Verordnung an Pflegeheime digital nicht möglich sei. Und: Nicht alle Patienten wüssten, wie es mit dem E-Rezept weiter­gehe. „Da muss ich mich vor allem fragen, warum vonseiten der Krankenkassen keine Information an die Versicherten ging.“

Von technischen Problemen weiß man auch bei der Kassenärzt­lichen Vereinigung Baden-Würt­temberg. Wie deren Pressesprecher Kai Sonntag mitteilt, beträfen diese vor allem die Umsetzung des Signaturprozesses in einzelnen Praxisverwaltungssystemen. Auch bestehe noch Mehraufwand, da unabhängig vom E-Rezept in vielen Fällen weiterhin ein Ausdruck erfolge. Zudem würden hin und wieder Patienten mit dem E-Rezept in die Apotheke kommen, dieses sei aber noch nicht auf der Plattform gespeichert und könne nicht eingelöst werden. „Das kann damit zusammenhängen, dass das E-Rezept elektronisch vom Arzt signiert werden muss. Vor allem Praxen, die nur wenige Rezepte ausstellen, scheuen die Kosten für eine Anwendung, bei der eine größere Anzahl an Rezepten bereits im Vorfeld signiert werden kann“, teilt Kai Sonntag mit. Und: Je nach Praxis erfolge die Signatur erst zeitlich verzögert.

Von Kundinnen und Kunden, die in die Apotheke kommen und ihr Rezept nicht einlösen können, weiß auch Apothekerin Dr. Heike Pfäffle-Planck, Inhaberin der Pinguin-Apotheke im Nanz-Center. Und ihr Mitarbeiter Michael Kaiser erläutert, woran das liegt: „Das Hauptproblem bei der Einlösung ist, dass die Signatur von manchen Praxen dauert. Die Kunden stehen dann bei uns in der Apotheke und das Rezept ist noch nicht digital hinterlegt. Das ist ärgerlich und momentan das größte Problem.“

Für das Einlösen des E-Rezepts schaffte die Apothekerin teure spezielle Terminals an, um die elektronischen Rezepte unter höchsten Sicherheitsstandards über die elektronische Gesundheitskarte (eGK) auslesen zu können. Eine Investition, die sich lohnen könnte: „Die meisten kommen tatsächlich mit der eGK. Das ist einfach eine praktische Entwicklung“, findet sie. Für die Kunden sei das Einlösen damit sehr komfortabel, gerade auch für diejenigen, die nicht so sehr mit Smartphone und Apps vertraut seien. Bis jetzt seien erst zwei jüngere Kunden mit der App gekommen.

Tendenziell steht die Apotheken-Kundschaft dem E-Rezept derzeit eher skeptisch gegenüber. Das liege wohl am Informationsdefizit. Verunsicherung entstehe auch deshalb, weil für viele nicht mehr sichtbar ist, welche Medikation auf dem Rezept stehe. Dafür brauchen die Patienten die App oder den Papierausdruck, auf den sie auch Anspruch haben. Für die App dagegen braucht es ein NFC-fähiges Handy und eine von der Krankenkasse ausgestellte NFC-fähige eGK für die kontaktlose Datenübertragung. Nach einem weiteren Identifikationsverfahren kann dann digital nicht nur das Rezept eingesehen werden, es kann auch an die Apotheke des Vertrauens übermittelt werden, die die Arzneimittel dann auf Wunsch auch direkt nach Hause liefert.

Informationen zum E-Rezept

Was geht? Noch nicht digital verordnet werden können Hilfsmittel wie beispielsweise Kompressionsstrümpfe, Blutzucker-Teststreifen, sämtliche Arten von Betäubungsmitteln und digitale Gesundheitsanwendungen. Das E-Rezept funktioniert bisher nicht für Hausbesuche, für Pflegeheime, für Privatversicherte und Versicherte anderer Kostenträger.
Praxis Für das E-Rezept muss die Gesundheitskarte in der Arztpraxis eingelesen werden. Die Ärzte stellen das Rezept aus und signieren es digital. Hier emp­fiehlt es sich, nachzufragen, ab welchem Zeitpunkt das E-Rezept zur Verfügung steht.
Informationen Das E-Rezept enthält alle wichtigen Informationen über Patientendaten, Daten der ausstellenden Ärztin oder des ausstellenden Arztes, die verordneten Arzneien oder Wirkstoffe sowie Hinweise zur Einnahme.
Einlösen Das Einlösen in der Apotheke kann auf drei Arten erfolgen: über die elektronische Gesundheitskarte (eGK), einen Papierausdruck mit QR-Code oder über die App „Das E-Rezept“ (Herausgeber gematik). Dafür braucht es ein NFC-fähiges Handy mit passendem Betriebssystem und eine NFC-fähige elektronische Gesundheitskarte von der Krankenkasse. cw